Von Peter Thilo Hasler – aktualisiert am 13.02.2024
Bei einem Schuldscheindarlehen handelt es sich um ein besonderes Finanzierungsinstrument. Es ist ein Großkredit, der
einer Anleihe ähnelt und mit langen Laufzeiten ausgestaltet
ist. Im Gegensatz zu Anleihen werden Schuldscheindarlehen
indirekt von mehreren Kreditgebern aufgebracht und von einer Kapitalsammelstelle an Unternehmen oder öffentliche
Körperschaften ausgereicht.
Im Normalfall sind solche Kredite endfällige
Tilgungsdarlehen mit einem festen oder variablen Zinssatz über die gesamte
Laufzeit. Aufgrund ihrer rechtlichen Einstufung als Darlehen werden Schuldscheindarlehen nicht zum Handel an einer Börse
zugelassen. Sie sind jedoch durch ihre standardisierte Form zumindest theoretisch handelbar.
Von Emittenten werden Schuldscheindarlehen in der Regel zum gleichen Zweck eingesetzt wie Schuldverschreibungen – zur
Finanzierung von konkreten Großprojekten. Schuldscheindarlehen sind jedoch im Vergleich zu Anleihen weniger stark
geregelt. Darüber hinaus gibt es weitere Unterschiede, die wir Ihnen näher beleuchten.
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Ein Schuldscheindarlehen ist für die langfristige Kapitalaufnahme bestimmt: Es ist ein Darlehen, über das ein
Schuldschein ausgestellt wurde[1].
Als Einstieg in den Kapitalmarkt (und Alternative zum Bankkredit) werden sie von mittelständischen (Familien-)
Unternehmen genutzt, die im Hinblick auf Bonität, Geschäftszahlen und Cashflow besonders stabil sind und eine gute
Bonität aufweisen (Investment-Grade-Bereich). Diese Bonität wird von Investoren deshalb eingefordert, weil
Schuldscheindarlehen während der Laufzeit – im Gegensatz zu Unternehmensanleihen – nicht an einer Börse
gehandelt
werden. Investoren können die emittierten Finanzierungsinstrumente daher nicht auf einem regulierten Marktplatz
verkaufen.
Bei einem illiquiden Asset wollen Sie als Investor (halbwegs) Sicherheit darüber haben, dass der Emittent am Ende der
Laufzeit noch existiert und in der Lage ist, den Nominalbetrag an die Darlehensgeber zurückzuzahlen. Diese
Bonitätskriterien erfüllt etwa der klassische Mittelstand, insbesondere Hidden Champions. Auch börsennotierte
multinationale Konzerne, Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Stadtwerke, Kommunen, Bundesländer oder der Bund
treten als Emittenten von Schuldscheindarlehen am Markt auf.
Typischerweise liegen die Beträge bei der Platzierung von Schuldscheindarlehen zwischen 10 und 500 Mio. € für
sogenannte Benchmark-Transaktionen. Um eine zu kleine Stückelung zu verhindern, liegen die gängigen Mindestzeichnungsbeträge der
abzutretenden Tranchen bei 500.000 €. In seltenen Fällen werden auch geringere Nominalwerte aufgerufen.
Generell richten sich Schuldscheindarlehen besonders an sehr vermögende Privatkunden. Es ist jedoch möglich, eine
gesamte Tranche bei einem einzelnen (institutionellen) Käufer zu platzieren.
Der Zinssatz von Schuldscheindarlehen orientiert sich am Kapitalmarktsatz für Kreditnehmer mit vergleichbarer
Bonitätseinstufung. Dabei kann die Verzinsung flexibel geregelt werden. Feste wie variable Verzinsungen sind
gleichermaßen gängig.
Ein variabler Zins setzt sich dabei aus einer an einem Referenzzinssatz orientierten Komponente und dem Credit Spread
des Kreditnehmers zusammen.
Diese Laufzeiten gelten bei Schuldscheindarlehen
Grundsätzlich werden Schuldscheindarlehen über eine feste Laufzeit vergeben, die im Voraus bestimmt wird. Die Laufzeiten
liegen zwischen drei und sieben Jahren. In seltenen Fällen werden Schuldscheindarlehen auch mehr als zehn Jahre
ausgegeben. Neben eher ungewöhnlichen Laufzeiten von 3,5 Jahren kommen auch Schuldscheindarlehen mit gestaffelten
Laufzeiten vor. Dabei werden gleichzeitig Laufzeiten von etwa drei, fünf und sieben Jahren aufgerufen.
Die einzelnen Laufzeittranchen sind dabei mit unterschiedlichen Zinssätzen ausgestattet. Die Art der Verzinsung kann
derweil variieren. Je nach Zinsstrukturkurve könnte etwa die Tranche mit der kürzesten Laufzeit variabel verzinst sein,
während längere Laufzeiten festverzinslich ausgestattet werden. Durch eine Staffelung kann der Kreditnehmer das
Laufzeitenprofil seiner Fremdfinanzierung optimieren.
Ähnlich einer Unternehmensanleihe erfolgt die Tilgung von Schuldscheindarlehen in der Regel endfällig. Seltener sind
dagegen Schuldscheindarlehen, die zunächst tilgungsfrei gestellt und erst zu einem späteren Zeitpunkt gleichmäßig über
die Restlaufzeit getilgt werden.
Eine ordentliche Kündigung vor Laufzeitende ist für die Investoren nicht möglich, aber eine außerordentliche. Dafür
braucht es einen wichtigen Grund: Zum Beispiel, dass der Schuldner mit den Zinszahlungen im Rückstand ist, die ggf.
bestellte Sicherheit unwirksam wird oder – im Extremfall – der Darlehensnehmer einen Antrag auf Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens gestellt hat. Auch ein Kontrollwechsel beim Darlehensnehmer („Change of Control“) gilt in der Regel
als wichtiger Kündigungsgrund. Weitere wichtige Gründe können im Kreditvertrag festgeschrieben werden[2].
Nein, Schuldscheindarlehen werden üblicherweise ohne bestellte Sicherheiten begeben. In Ausnahmefällen ist das zwar
möglich – dann müssen es jedoch erstklassige Sicherheiten sein. In Frage kommen dabei erstrangige Grundschulden mit
Zwangsvollstreckungsklauseln.
Daneben stehen klassische Real- oder Personalkreditsicherheiten sowie Bundes- oder Landesbürgschaften zur Auswahl. Im
Fall einer Realsicherheit wird ein Sicherheiten-Treuhänder bestellt. Dieser verwaltet und verwertet die Sicherheiten auf
der Grundlage eines gesonderten Sicherheiten-Treuhandvertrages auf Weisung des Treugebers.
Platziert werden Schuldscheindarlehen bei institutionellen Investoren, also Vermögensverwaltern, Family Offices und
Portfoliomanagern, Versicherungen und berufsständischen Versorgungswerken wie den Apotheker- und Ärztekammern in den
einzelnen Bundesländern. Letztere engagierten sich vor allem deshalb, um ihren Versicherten während der zurückliegenden
Niedrigzinsphase eine attraktive Gewinnbeteiligung bieten – und ihre Versorgungszusagen steigern zu können.
Soweit Versicherungen als Käufer von Schuldscheindarlehen auftreten, ist zu beachten, dass in diesem Fall
Schuldscheindarlehen deckungsstockfähig sind. Deckungsstockfähig ist ein Schuldscheindarlehen immer dann, wenn zum einen
die bisherige und künftig zu erwartende Unternehmensentwicklung eine ordnungsgemäße Bedienung der Zins- und
Tilgungszahlungen erwarten lässt. Zum anderen ist das Schuldscheindarlehen erstklassig besichert – etwa, wenn der
Arrangeur als Sicherheit eine Bankbürgschaft einräumt.
Die Platzierung eines Schuldscheindarlehens initiiert der sogenannte Arrangeur oder Vermittler. Üblicherweise übernimmt
eine Bank die Rolle des Arrangeurs. Folgendermaßen läuft das ab:
Unterschied zwischen Best-Effort- und Back-Stop-Modell
Die Platzierung erfolgt also dadurch, dass die einzelnen Forderungen des Schuldscheindarlehens an die Investoren
übertragen werden. Üblicherweise läuft das nach dem sogenannten Best-Effort-Prinzip.
Dabei verpflichtet sich der arrangierende Kreditgeber (lediglich) dazu, sich nach besten Kräften zu bemühen, das
Darlehen bei potenziellen Investoren zu platzieren. Der im Schuldscheinvertrag genannte Darlehensbetrag kann noch
angepasst werden, wenn die Platzierung nicht vollständig ist. Das Platzierungsvolumen des Schuldscheindarlehens hängt in
diesem Fall von der Anzahl der vom Arrangeur gewonnenen Kapitalgeber ab – und den von diesen tatsächlich bereit
gestellten Beträgen.
Seltener ist dagegen das sogenannte Back-Stop-Underwriting. Hierbei garantiert der Arrangeur dem Emittenten ein vorab
vereinbartes Platzierungsvolumen. Findet der Arrangeur nicht genügend Investoren, muss er den Differenzbetrag über die
Gesamtlaufzeit des Darlehensvertrages selbst aufbringen. Damit trägt der Arrangeur im Back-Stop-Modell das volle
Refinanzierungsrisiko[3].
Investoren müssen Rechte für sich selbst wahrnehmen
Unabhängig von der Variante ist bei Schuldscheindarlehen jeder einzelne Kapitalgeber dafür verantwortlich, seine Rechte
aus dem Schuldscheindarlehen für sich selbst wahrzunehmen. Kommt ein Kreditnehmer seinen Verpflichtungen aus dem
Schuldschein nicht nach, können Sie als Gläubiger von Ihrem Einzelkündigungsrecht Gebrauch machen (siehe oben).
Das bedeutet: Sie können das Darlehensverhältnis unabhängig von allen anderen Gläubigern kündigen und Ihren anteiligen
Darlehensbetrag sofort und in voller Höhe zurückfordern. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Anleihe, bei der Ihnen
ein Kündigungsrecht nicht automatisch zugestanden wird.
Weil Schuldscheindarlehen keine Wertpapiere darstellen („lediglich“ eine Beweisurkunde), braucht es eine Zahlstelle, die
die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien überwacht – also des Darlehensnehmers und der Investoren. Im Regelfall
übernimmt ein an der Platzierung beteiligtes Kreditinstitut die Funktion der Zahlstelle.
Sie wickelt damit die Zins- und Tilgungszahlungen ab und leitet die festgelegten Informationen und Dokumente zwischen
Darlehensnehmer und Investoren weiter. Gegebenenfalls ist die Zahlstelle auch dafür verantwortlich, den Zinssatz für die
einzelnen Zahlungsperioden zu berechnen.
Grundsätzlich gilt: Ein Schuldscheindarlehen ist im Gegensatz zu einer Unternehmensanleihe oder einem Genussschein nicht als Wertpapier
ausgestaltet. Bei einem Schuldscheindarlehen sind geringere formale Dokumentationen gefordert als bei einer
Unternehmensanleihe.
Was heißt das nun konkret? Es beginnt etwa damit, dass zum Emissionszeitpunkt kein Wertpapierprospekt zu veröffentlichen
ist. Denn ein Schuldscheindarlehen ist kein Wertpapier im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG).
Weil kein Handel an einer Wertpapierbörse oder einer sonstigen Handelsplattform beantragt wird, muss der Emittent vor
der Platzierung kein externes Emittenten- oder Emissionsrating einer Ratingagentur veröffentlichen. Während der Laufzeit
muss der Darlehensnehmer keine besonderen börsenspezifischen Transparenzanforderungen einhalten, etwa die
Veröffentlichung von Geschäfts- oder Quartalsberichten.
Gerade die hohe Diskretion macht das Schuldscheindarlehen bei Emittenten beliebt. So braucht es keine Genehmigung von
öffentlichen Stellen, etwa der Wertpapieraufsicht (BaFin). Die Transaktionskosten sind damit wesentlich geringer als bei
einer Unternehmensanleihe. Hier können sie – abhängig vom Anleihevolumen – bis zu einem Zehntel des Emissionsvolumens
ausmachen.
Zudem fällt das Schuldscheindarlehen nicht unter die Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG) im Zusammenhang mit dem
Depotgeschäft. Daher sind weder für die Verwahrung noch die Verwaltung von Schuldscheindarlehen zusätzliche gesetzliche
Regeln zu beachten.
Abgesehen davon kann bei der Platzierung eines Schuldscheindarlehens früh im Vorfeld auf Investoren zugegangen werden.
Dadurch wirken sich Schwankungen am Kapitalmarkt kaum auf die Platzierungswahrscheinlichkeit und -quote aus. Der
Platzierungserfolg kann damit vom Emissionskonsortium vorab besser beurteilt werden als bei einer Unternehmensanleihe.
Hier werden regelmäßig „widrige Marktbedingungen“ als Grund für eine Minderplatzierung oder sogar Absage einer
Transaktion angeführt.
Schuldscheindarlehen haben eine Reihe von Vorteile:
Es gibt jedoch auch einige Nachteile:
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