Valeria Nickel, 07.09.2020
Bio, Fitness, Abfallvermeidung und Veganismus: Seit einigen Jahren erlebt der bewusste, nachhaltige Lebensstil einen nie dagewesenen Zuspruch.
Dieser Trend hat auch Einfluss auf das Anlageverhalten vieler Investoren: Laut einer Studie des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) stieg das Volumen nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 23 % auf kanpp 270 Mrd. €.
Längst wollen nicht mehr nur Investoren wie Kirchen oder Stiftungen ihr Geld ökologisch und ethisch korrekt anlegen, sondern auch Versicherungen, Versorgungswerke und Privatanleger.
Eine gesetzliche – oder wenigstens einheitliche – Definition für den Begriff „Nachhaltige Geldanlagen“ (oder englisch: sustainable investments) gibt es bisher nicht.
Allgemein anerkannt ist aber, dass diese Anlageformen sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht nur nach den klassischen Kriterien der Rentabilität, Liquidität und Sicherheit bewertet werden, sondern auch unter ökologischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten, für die sich international das Kürzel ESG etabliert hat (Environment, Social and Governance). Das heißt, dass es alle möglichen Varianten von „nachhaltigen“ Finanzprodukten gibt: beispielsweise grüne Sparbücher, Green Bonds, nachhaltige (Themen-)Fonds oder grüne Indexfonds (ETFs).
Doch nicht alles, was glänzt, ist grün. Für viele Unternehmen bzw. Emittenten bedeutet das Label „nachhaltig“ nur eine Marketingstrategie. Ethik und Moral stehen dabei gar nicht im Vordergrund. Denn vielen ist klar: Wer sich heute überhaupt nicht mit den Prinzipien nachhaltigen Investierens beschäftigt, muss mit dem Verlust von Reputation oder politischer Unterstützung rechnen. Daher betreiben einige Unternehmen sogenanntes Greenwashing, um für die Öffentlichkeit positiv zu wirken.
Anleger können unterschiedliche Ansätze bei der Recherche von nachhaltigen Geldanlagen verfolgen.
Die wenigsten Anforderungen stellt der „Best in Class“-Ansatz: Hier gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich der Branche, des Standorts oder der Geschäftspraktiken des Unternehmens, in das man investiert. Sie können sich beispielsweise auch an Ölfirmen oder Stromkonzernen mit Atomkraftwerken beteiligen. Die einzige Voraussetzung ist, dass es sich dabei um die vorbildlichsten Unternehmen der jeweiligen Branche handelt, was ökologische oder ethische Standards betrifft.
Eine andere Strategie ist, Ausschlusskriterien aufzustellen: Dabei investiert man nicht in Unternehmen, die ihr Geld in gewissen Geschäftsfeldern verdienen (zum Beispiel fossile Brennstoffe oder Atomkraft). Auch Unternehmen, die bestimmte Geschäftspraktiken verfolgen (zum Beispiel Kinderarbeit oder jede Art von Produktion, die der Umwelt stark schadet) oder in ausgewählten Staaten ansässig sind, die sich nicht an internationale Verträge halten oder Menschenrechte missachten können ausgeschlossen werden. Durch diese Kriterien schränkt man sein Investmentuniversum ein und schließt bestimmte Unternehmen und Staaten aus.
Die dritte Möglichkeit ist, nicht nach einem Ausschluss-, sondern einem Auswahlverfahren vorzugehen. Diese Methode ist am aufwändigsten. Denn der Anleger muss gezielt nach sogenannten Impact Investments suchen, also Unternehmen, Organisationen und Fonds, die nicht nur einen finanziellen Ertrag erwirtschaften, sondern auch sozial und ökologisch wirken wollen.
Dabei stellt sich die Frage: Wo gibt es nachhaltige Geldanlagen? Wer auf der Suche nach Bio-Gemüse ist, kann schließlich in den Bioladen oder mittlerweile auch fast in jeden konventionellen Supermarkt gehen. Bei nachhaltigen Geldanlagen ist es ähnlich: Es gibt einerseits „grüne“ Banken, aber viele nachhaltige Finanzprodukte bekommt man mittlerweile auch bei konventionellen Banken und Anlageberatungen.
Trotzdem müssen sich Anleger darüber bewusst sein, dass es wohl keine zu 100 % ethisch korrekte Geldanlage gibt. Ein Beispiel dafür ist Tesla: Wer in den führenden Elektroauto-Hersteller investiert, hilft dabei, den Wandel zu nachhaltigeren Transportmöglichkeiten und weniger Abgasen voranzutreiben. Gleichzeitig wird bei der Herstellung einer Elektrobatterie für die Fahrzeuge aber (noch) viel Energie verbraucht. Dies schadet der Umwelt wiederum.
Auf jeden Fall lohnt es sich aber, einen Überblick über bestimmte Nachhaltigkeitskriterien zu haben. Ein guter Wegweiser ist dabei das FNG-Siegel vom Forum nachhaltige Geldanlage. Es ist in Zusammenarbeit mit dem Sustainable Business Institute (SBI) auf eine Initiative des Bundesfinanzministeriums hin entstanden und zertifiziert Unternehmen und Staaten, die in Fonds enthalten sind, um der Öffentlichkeit eine Orientierungshilfe beim Kauf von Fondsanteilen zu bieten. Dabei setzt es die Vorgaben des europäischen Dachverbands für nachhaltige Geldanlagen in Deutschland um.
In diesen Tabellen finden Sie die Ausschlusskriterien, die FNG verwendet und auf die man als Anleger achten kann.
Geschäftsfelder |
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Umwelt |
Chlor und Agrochemie, Fossile Brennstoffe, Grüne Gentechnik, Kernenergie |
Soziales |
Glücksspiel, Pornographie, Spirituosen, Tabakwaren, Rüstungsgüter |
Governance |
Jegliche Geschäftsfelder |
Geschäftspraktiken |
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Umwelt |
Umweltschädliches Verhalten, Tierversuche, hoher Energie- und Ressourcenverbrauch |
Soziales |
Nichtbeachtung der Arbeitsrechte (ILO Kernarbeitsnormen), ausbeuterische Kinderarbeit, Verletzung von Menschenrechten, Diskriminierung |
Governance |
Korruption und Bestechung, kein unabhängiger Verwaltungs- oder Aufsichtsrat |
Länderspezifische Merkmale |
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Umwelt |
Kernenergie nach Anteil an der Bruttoenergieerzeugung, Nichtratifizierung der UN-Biodiversitäts-Konvention, Nichtratifizierung des Kyoto-Protokolls, Nichtratifizierung des Protokolls über biologische Sicherheit |
Soziales |
Nichtbeachtung der Arbeits- oder Menschenrechte, hohes Rüstungsbudget, Todesstrafe, Zugehörigkeit zu sogenannten unfreien Staaten laut Freedom House, Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag, Verstöße gegen Waffensperrverträge |
Governance |
Korruption |
Die Frage, die trotz aller Kriterien und Zertifizierungen letzten Endes für Investoren im Vordergrund steht: Verdient man tatsächlich Geld mit nachhaltigen Geldanlagen?
Laut FNG lassen sich mit sogenannten Impact Investments durchaus marktübliche Renditen erzielen. Generell gilt jedoch, wie bei jedem Investment, dass das Risiko-Rendite-Verhältnis im Einzelfall eingeschätzt werden muss und hier keine allgemeingültigen Aussagen möglich sind. Das Vorurteil jedoch, dass Anleger für das gute Gewissen prinzipiell auf einen Teil ihrer Rendite verzichten müssen, stimmt nicht.
Gleichwohl heißt das aber nicht, dass Anleger in diesem Bereich unvorsichtig sein können – das zeigt das Beispiel der Prokon-Pleite. Auch nachhaltige Geldanlagen bergen ein großes Risiko.
Außerdem sollte man nicht aus falsch verstandener Treue zu den grünen Werten am Investment festhalten, wenn der Kurs offensichtlich in den Keller fährt. Mit einem gesunden Risikobewusstsein und guter, regelmäßiger Information lassen sich mit nachhaltigen Geldanlagen aber sowohl das Gewissen als auch der Renditehunger befriedigen.
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