Von Valeria Nickel, Mauritius Kloft – aktualisiert am 05.12.2023
Bio, Fitness und Vermeidung von Plastikmüll: Seit einigen Jahren erlebt der bewusste, nachhaltige Lebensstil einen nie
dagewesenen Zuspruch. Dieser Trend hat auch Einfluss auf das Anlageverhalten vieler Investoren: Laut dem Marktbericht
des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) stieg das Volumen nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland im
Jahr 2022 im
Vergleich zum Vorjahr um 15 % auf rund 578 Mrd. €[1].
Längst wollen nicht mehr nur Investoren wie Kirchen oder Stiftungen ihr Geld ökologisch und ethisch korrekt anlegen,
sondern auch Versicherungen, Versorgungswerke und private Anlegerinnen und Anleger. Besonders vor dem Hintergrund der
Energiewende und der Klimakrise.
Aber wie funktioniert diese Geldanlage? Und worauf sollten Sie als Anlegerin oder Anleger bei einem nachhaltigen
Investment achten? Wir erklären es Ihnen!
Welche Investmentansätze gibt es?
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Wie können Sie nachhaltig anlegen?
Diese Möglichkeiten
haben
Sie
Wichtige Begriffe zum Thema nachhaltige Geldanlagen:
Zum Glossar
Vorweg einmal: Eine gesetzliche – oder wenigstens einheitliche – Definition für den Begriff „Nachhaltige Geldanlagen“
gibt es bisher nicht. Generell gelten jedoch Anlageformen als nachhaltig, die sich nach ökologischen, sozialen
und
ethischen Anlagekriterien richten. Sie zeichnen sich folglich nicht nur durch die klassischen
Gesichtspunkte der
Rentabilität oder Sicherheit aus.
Es gibt viele mögliche Varianten von „nachhaltigen“ Anlageprodukten – zum Beispiel grüne Sparanlagen,
Green Bonds,
Nachhaltigkeitsfonds oder börsengehandelte Indexfonds (ETF), die auf nachhaltigen
Indizes basieren (mehr dazu finden Sie
hier).
ESG-Kriterien
Schnell kommt man bei nachhaltigen Geldanlagen auf die sogenannten ESG-Kriterien: Das Kürzel steht für
„Environmental,
Social und Governance“ – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung[2].
Zum einen sind damit allgemein verschiedene Anlagestrategien bzw. Ansätze gemeint, nachhaltig zu
investieren (siehe unten). Je nach
Definition bezieht sich ESG-Investment jedoch nur auf
das Festlegen von Positivkriterien: ESG-konforme Wertpapiere
sollen aktiv ausgewählt werden. Das Investmentziel ist daher nicht nur eine Rendite sondern ein gesellschaftlicher
Einfluss.
Exkurs: EU-Taxonomie und Offenlegungspflichten
Um ein Regelwerk für nachhaltige Geldanlagen festzulegen, hat die EU die sogenannte Taxonomie
entwickelt. Dafür hat sie
sechs Klima- und Umweltschutzziele herausgearbeitet. Trägt ein Projekt zum Erreichen eines dieser Ziele bei, gilt es als
taxonomiekonform. Es darf dabei kein anderes Ziel beeinträchtigen.
Zudem will die EU die Transparenz von Nachhaltigkeitsfonds und anderer Finanzprodukte erhöhen –
mithilfe der
EU-Verordnung über die nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten („Sustainable Finance Disclosure
Regulation“, kurz
SFDR). Diese soll Ihnen als Anlegerin oder Anleger helfen, wirklich nachhaltige Unternehmen und Produkte zu erkennen.
Die Verordnung gilt etwa für Wertpapierfirmen, Vermögensverwalter, Versicherer und börsennotierte Unternehmen, die auf
den EU-Märkten handeln.
Nachhaltiges Investment ist nicht gleich nachhaltiges Investment – es gibt viele Ansätze, um es zu verfolgen. Eine
Übersicht:
Best in Class
Mithilfe des Best-in-Class-Ansatzes können Sie als
Anlegerin oder Anleger in Firmen investieren, die in ihrer Branche
oder ihrem Sektor die besten nachhaltigen Leistungen vorweisen können[3]. Solche Firmen stellen folglich die
„Klassenbesten“ dar. Dabei werden alle Geschäftszweige berücksichtigt – auch kontroverse wie die Produktion von Waffen.
Best of Class
Der Best-of-Class-Ansatz ist ein Gegenentwurf zum Best-in-Class-Ansatz, obgleich die Namen sehr ähnlich klingen. Bei
Investments über diesen Ansatz werden lediglich die besten Unternehmen wirklich nachhaltiger Branchen aufgelistet –
anders also als beim Best-in-Class-Ansatz, der alle Sektoren berücksichtigt. Waffenunternehmen können nach dem
Best-of-Class-Ansatz nicht als nachhaltig gelten.
Best in Progress
Im Gegensatz zum Best-in-Class-Ansatz geht es beim Best-in-Progress-Ansatz nicht um den Status Quo. Vielmehr können Sie
als Anlegerin und Anleger mit dieser Strategie in eine positive nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens investieren.
Sie sollten jedoch beachten: Nur weil ein Unternehmen Fortschritte in der Nachhaltigkeit macht, heißt das noch lange
nicht, dass es tatsächlich nachhaltig agiert.
Ausschlusskriterien
Bei diesem Investmentansatz geht es lediglich darum, Unternehmen mit bestimmten, negativen Aspekten oder aus
kontroversen Branchen auszuschließen. Beispiele hierfür sind etwa Waffen, Zigaretten und Alkohol, Glücksspiel, Atomkraft
oder Öl. Oftmals meint man mit „Socially Responsible Investment“ (SRI) ein Investieren mithilfe von
Negativkriterien[4].
Impact Investing
Das Impact Investing geht in Bezug auf Nachhaltigkeit
über alle genannten Strategien hinaus. Denn hierbei sollen Sie mit
Ihrer Investition eine realwirtschaftliche Wirkung erzielen („Impact“). Man spricht daher auch von
Positivkriterien[5].
Eine solche Auswirkung der Geldanlage ist aber nur schwer messbar.
Sie haben viele Möglichkeiten, Ihr Geld nachhaltig zu investieren. Eine Übersicht:
Aktien
Nachhaltige Aktien sind Aktien von Firmen, die nachhaltig wirtschaften bzw. von Fonds nach ESG-Kriterien
ausgewählt werden. Darunter fallen etwa Anteile von Unternehmen aus der Windkraft‐ oder Solarbranche. Auch
Wasserstoffaktien gelten als grüne
Investments. Bisweilen gehören innovative Tech-Firmen ebenso zu den
nachhaltigen Aktien – allerdings ist die Definition hier nicht eindeutig. Meist bleiben diese Unternehmen
übrig, wenn Negativkriterien angewandt werden (siehe oben). Die Hoffnung bei der Anlage in grüne Wertpapiere
ist, dass Sie als Anlegerin oder Anleger von der Wertentwicklung an der Börse profitieren.
ESG-Fonds
Ökofonds sind sämtliche Investmentfonds, bei denen
Nachhaltigkeit – in welcher Art auch immer – im Fokus
steht. Im Gegensatz zum Investment in Einzelaktien investieren Sie mit Aktienfonds breit gestreut in
nachhaltige Wertpapiere. Solche Fondsgesellschaften sind in der Regel aktiv gemanagt, anders als passive
Indexfonds (siehe unten). Auch nachhaltige Themenfonds, die sich etwa nur auf erneuerbare Energien
spezialisieren, fallen darunter. Bei Nachhaltigkeitsfonds unterscheidet man wie bei konventionellen Fonds
ausschüttende und thesaurierende Finanzprodukte.
Mikrofinanzfonds
Mikrofinanzfonds sind Investmentfonds, die in sogenannte Mikrofinanzinstitute (MFI) investieren. Das sind
Banken, die wiederum Menschen in Entwicklungsländern einen Zugang zu Bankdienstleistungen ermöglichen und
Mikrokredite an sie vergeben. Dabei geht es oft um Gewerbetreibende, die von herkömmlichen Instituten
normalerweise keine Darlehen erhalten. Mit dem aufgenommenen Kapital können sie ein Geschäft bzw. Gewerbe
aufbauen. Mikrokredite sollen also „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben.
Nachhaltige ETF
Nachhaltige ETF (engl. „Exchange Traded Funds“) bilden meist einen ganzen Aktien- oder Anleihenindex nach,
der hinsichtlich nachhaltiger Kriterien zusammengestellt ist – und das passiv. Anders als bei einem aktiven
Fonds entscheidet kein Fondsmanagement darüber, in welche grünen Wertpapiere investiert wird[6]. Nachhaltige
ETF sind sehr günstig. Sie basieren jedoch
oftmals nur auf Negativkriterien, können demnach nur als „mäßig
nachhaltig“ gelten – ein Beispiel dafür wäre der MSCI ESG Screened Index[7]. Indizes, die weitere
Nachhaltigkeitskritieren beachten oder nur Aktien aus der Erneuerbaren-Energie-Branche listen, sind etwa der
Solactive Klimaschutz Index[8] oder der Natur-Aktien-Index[9].
Green Bonds
Grüne Anleihen (engl. „Green Bonds“) sind festverzinsliche Schuldverschreibungen zur Finanzierung von
Projekten für die Umwelt. Mittlerweile bieten nicht nur Staaten Green Bonds an – sondern auch Banken und
Unternehmen, die sich Kapital beschaffen wollen. Mit den Erlösen aus diesen Anleihen finanzieren sie
umweltfreundliche Projekte – etwa erneuerbare Energien, nachhaltige Landwirtschaft oder Maßnahmen für den
Klimaschutz. Es gibt auch Social Bonds, die
auf soziale Projekte setzen.
Direkte Beteiligungen an Wind- oder Solarkraft
Anstelle indirekt zu investieren, können Sie sich auch an einem nachhaltigen Sachwert beteiligen – etwa
einem Solarpark oder an einer Windkraftanlage. Allerdings ist das nur für Investoren mit ausreichend Kapital
möglich, da oft eine hohe Geldsumme erforderlich ist. Außerdem müssen Sie sich um die Verwaltung eines
Solar- oder Windparks kümmern oder eine Verwaltung beauftragen.
Crowdinvesting
Beim Crowdinvesting tut sich eine Vielzahl
an Privatanlegerinnen und Privatanlegern zusammen, um gemeinsam
ein nachhaltiges Projekt zu finanzieren, also etwa einen Solarpark oder eine Windkraftanlage. So können
schnell erhebliche Anlagesummen zusammenkommen, die wiederum für Sie als Investoren eine Rendite
erwirtschaften. Eine Investition kann jedoch riskant sein: Scheitert ein solches Projekt, kann das mit einem
Totalverlust für Sie enden.
Nachhaltige Immobilien
Bei nachhaltigen Objekten wird versucht, während des gesamten Lebenszyklus so wenig wie möglich
klimaschädliches CO2 zu erzeugen: Das umfasst folglich nicht nur den Bau, sondern auch die Nutzung und am
Ende den Abriss des Gebäudes. Daher ist es wichtig, besonders umweltfreundliche und wiederverwertbare
Materialien zu verwenden.
Nachhaltige Banken
Nachhaltige Banken unterscheiden sich von herkömmlichen Banken durch ihre soziale und ökologische
Ausrichtung. Sie vertreiben nachhaltige Sparanlagen, Girokonten sowie Depots. Dabei vermeiden Ethikbanken
Investments in Geschäfte wie Tabak, Waffen, fossile Brennstoffe und Unternehmen, die Kinderarbeit oder
Menschenrechtsverletzungen tolerieren. Zudem zeichnen sie sich durch ihre Transparenz aus.
Klare Antwort: Nein, Nachhaltigkeit und Rendite schließen sich nicht aus. So haben US-Forscher in einer
Meta-Studie mit
mehr als 1.100 Untersuchungen herausgefunden, dass nachhaltige Wertpapiere, die ESG-Kriterien berücksichtigen,
genauso
gut abschneiden wie konventionelle Wertpapiere[10]. Tatsächlich führen sie in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten – sie eignen
sich für Sie als Anlegerin oder Anleger daher als Möglichkeit, Ihr Portfolio zu diversifizieren.
Auch eine Meta-Studie der University of Oxford kommt zu einem ähnlichen Schluss. Demnach zeigten 88 % der
Untersuchungen, dass ESG-Praktiken zu einer besseren Leistung der Konzerne führen[11].
Eine Analyse der Ratingagentur Morningstar hat zudem gezeigt, dass fast 59 % der nachhaltigen Fonds in
verschiedenen
Kategorien in den zehn Jahren bis Ende 2019 besser abgeschnitten haben als herkömmliche Fonds[12]. Ein wichtiger Grund dafür
war, dass nachhaltige Fonds wahrscheinlich länger bestehen bleiben.
Auch ein nachhaltiges Investment birgt einige Risiken für Sie. Ein Überblick:
Sie als Anlegerin oder Anleger sollten sich darüber bewusst sein, dass es wohl keine zu 100 % ethisch
korrekte
Geldanlage gibt. Auf jeden Fall lohnt es sich, einen Überblick über bestimmte Nachhaltigkeitskriterien zu
haben – und
damit verbundene Nachhaltigkeitsratings.
So gibt es unabhängige Anbieter, die Unternehmen anhand bestimmter Kriterien bewerten und dabei einen Score vergeben.
Eine der bekanntesten Ratingagenturen ist der Indexanbieter MSCI, der Unternehmen basierend auf
ESG-Kriterien
beurteilt[13].
Neben MSCI gibt es weitere wichtige Akteure wie Refinitiv[14] und Sustainalytics (Morningstar)[15] – auch die
klassischen
Ratingagenturen wie Fitch, S&P und Moody’s sind in diesem Bereich aktiv. Auf der Basis ihrer Analyse erstellen die
Ratingagenturen ESG-Scores.
Auf Nachhaltigkeitssiegel achten
Ein guter Wegweiser ist zudem das FNG-Siegel vom Forum nachhaltige Geldanlagen[16]. Es ist in
Zusammenarbeit mit dem
Sustainable Business Institute (SBI) auf eine Initiative des Bundesfinanzministeriums hin entstanden. Das FNG
zertifiziert Unternehmen und Staaten, die in Fonds enthalten sind, um der Öffentlichkeit eine Orientierungshilfe beim
Kauf von Fondsanteilen zu bieten.
Das FNG finanziert sich über seine Mitglieder: Neben Banken und Kapitalanlagegesellschaften zählen Ratingagenturen, Finanzberater, Versicherungen sowie wissenschaftliche Institutionen, NGOs und Privatpersonen dazu.
„Mit ihnen wollen wir unsere Vision erreichen: Die Förderung eines Finanzsystems, das die sozialökologische Transformation der Realwirtschaft innerhalb planetarer Grenzen vorantreibt“, erklärt FNG-Geschäftsführer Sascha Görlitz die Tätigkeit des Verbandes auf Nachfrage der Ratgeberredaktion von BERGFÜRST. „Um diese Vision zu erreichen, vernetzen wir die Interessengruppen der nachhaltigen Finanzwirtschaft. Dabei unterstützen wir unsere Mitglieder auf dem Weg zu einem nachhaltigen Finanzsystem.“
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Nachhaltigkeitssiegel, etwa das
ECOReporter-Siegel[17]. Achten Sie zudem auf
Bewertungen von Fachmagazinen wie Finanztest, das zur Stiftung Warentest gehört[18]. Finanztest warnt vor Finanzprodukten,
die nur Greenwashing betreiben.
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