Von Lana Iliev – aktualisiert am 10.11.2022
Genussscheine dienen (ebenso wie Nachranganleihen, Nachrangdarlehen oder Stille Beteiligungen) der Mezzanine-Kapitalbeschaffung von Unternehmen. Dabei handelt es sich hier um komplexe Finanzinstrumente, die aufgrund ihrer variablen Ausgestaltung für Anleger oft schwer zu durchschauen sind.
Genussscheine verbriefen ihren Inhabern sogenannte Genussrechte, wie beispielsweise das Anrecht auf eine Gewinnbeteiligung. Gleichzeitig haben Genussscheine den Charakter von Schuldverschreibung: Die geleistete Einlage muss zum Nennwert zurückgezahlt werden. Dabei kann ein fester Termin für die Rückzahlung bestehen.
Während Inhaber von Genussscheinen Vermögens- und Gläubigerrechte zugesprochen bekommen, erhalten sie keine Stimmrechte, wie es bei Aktionären üblich ist. Somit können sich Unternehmen Kapital von Anlegern leihen, ohne diese am Unternehmen zu beteiligen.
Zudem profitieren Emittenten von großen Spielräumen bei der Gestaltung von Genussscheinen, da diese kaum reguliert werden.
Aufgrund ihrer Konstruktion lassen sich Genussscheine zwischen Aktien (Eigenkapital) und Anleihen (Fremdkapital) ansiedeln, da sie Charakteristiken beider Finanzinstrumente besitzen.
Gemeinsamkeit | Gegensatz |
---|---|
Anleihen: Anspruch auf Verzinsung und Rückzahlung des angelegten Kapitals zum Nominalwert am Ende der Laufzeit. | Anleihen: Zinserträge werden (meist) nicht ausgezahlt, sondern durch Kursaufschläge verrechnet und somit „flat“ gehandelt. |
Aktien: Die Höhe der Rendite ist von der Gewinnentwicklung des emittierenden Unternehmens abhängig. Zudem können Anleger von Kurssteigerungen profitieren. | Aktien: Genussscheininhaber erhalten keine Aktionärsrechte wie das Stimm- und Mitwirkungsrecht in Haupt- oder Generalversammlungen. |
Nicht jeder Genussschein entspricht den in der Tabelle aufgeführten Eigenschaften, da die Ausgestaltung einzelner Emissionen einen großen Handlungsspielraum bietet.
Genussscheine können direkt beim Emittenten, über die Börse oder eine anderweitige Handelsplattform erworben werden. Sie werden dabei sowohl als Inhaber- als auch Namenspapiere ausgegeben.
Genussscheine können über die Börse oder außerbörslich bereits vor Laufzeitende veräußert werden. In den meisten Fällen werden sie als Inhaberpapiere ausgegeben, wodurch der Handel erleichtert wird.
Wenn es die individuellen Ausstattungsmerkmale des Genussscheins vorsehen, besteht zudem ein Kündigungsrecht oder Rückgabeanspruch. In einem solchen Fall können Anleger die Genussscheine vor dem Ende der Laufzeit an den Emittenten zurückgeben.
In Deutschland werden Genussscheine vor allem von Kreditinstituten, also Banken und Sparkassen, ausgegeben. Zudem ist es jedoch üblich, dass Versicherungen, Industrie- sowie Dienstleistungsunternehmen Genussscheine emittieren.
Auch durch Crowdinvesting können Genussscheine emittiert werden. Generell wird dieses Finanzinstrument hier jedoch eher selten benutzt.
Gewinnbeteiligungen, die mit Genussscheinen erwirtschaftet werden, unterliegen der Abgeltungssteuer und sind mit 25 % plus Solidaritätszuschlag zu besteuern. Gegebenenfalls ist darüber hinaus die Kirchensteuer zu entrichten.
Anleger erhalten oft hohe Renditen, da sie am Unternehmerrisiko partizipieren. Dabei fällt die Rendite meist höher aus als bei Anleihen.
Die Vorteile von Genussscheinen variieren jedoch stark in Abhängigkeit von den individuellen Ausstattungsmerkmalen der einzelnen Wertpapiere.
Ausschüttungen | Je nach Gestaltung des Genussscheins erhalten Inhaber Zinsen und werden an den Gewinnen des Unternehmens beteiligt. Dabei richten sich die Ausschüttungen meist nach der Gewinnsituation des Emittenten. So können Gewinnausschüttungen im Zweifelsfall auch ausgesetzt werden. |
Anspruch auf Nachzahlungen | Werden Gewinnausschüttungen ausgesetzt, besteht möglicherweise eine Verpflichtung, dass diese zu einem späteren Zeitpunkt nachzuzahlen sind. |
Kursgewinne | Neben Gewinnausschüttungen können Anleger zudem von Kursgewinnen profitieren, da Genussscheine Kursschwankungen unterliegen. Werden sie zu einem geringeren Kurs eingekauft als sie verkauft werden, steigert dies die Rendite. Gleichzeitig geht hier jedoch auch die Gefahr fallender Kurse und daraus resultierender Verluste einher. |
Rückzahlungsanspruch | Am Ende einer vereinbarten Laufzeit haben Anleger ein Anrecht auf die Rückzahlung des investierten Kapitals zum Nennwert. |
Kündigungsrecht | Gegebenenfalls verfügen Anleger über ein Kündigungs- bzw. Rückgaberecht. |
Doch nicht nur die Rendite von Genussscheinen ist höher als die von Anleihen, auch die Risiken sind größer. Die konkrete Risikostruktur hängt ebenfalls von den Ausstattungsmerkmalen des Genussscheins ab.
Genussscheine mit fester Verzinsung und ohne Endfälligkeit oder mit einer langen Laufzeit unterliegen dem Zinsänderungsrisiko. Steigt das Zinsniveau, sinken die Kurse dieser Genussscheine, da die ihnen zugrunde liegende Verzinsung im Verhältnis zum Marktdurchschnitt an Attraktivität einbüßt.
Je nach Gestaltung des Genussscheins ist die Beteiligung der Anleger am Unternehmensgewinn an die Gewinnsituation des Emittenten geknüpft. Es ist somit möglich, dass Ausschüttungen ausgesetzt werden, wenn der Emittent Verluste macht.
Manche Genussscheine verbriefen in solchen Fällen einen Anspruch auf Nachzahlung. So werden die Gewinnausschüttungen nachgezahlt, sobald der Emittent wieder einen Gewinn verzeichnet. Ein solches Anrecht besteht jedoch nicht über das Ende der vereinbarten Laufzeit hinaus.
Zwar besteht für Inhaber von Genussscheinen ein Anrecht auf die Rückzahlung des eingezahlten Kapitals zum Nominalwert, kommt es zur Insolvenz des Emittenten, kann diese Rückzahlung jedoch reduziert werden oder ganz ausbleiben.
Auch hier kommt es auf die konkrete Gestaltung des Genussscheins an. Generell zählen sie jedoch zum Eigenkapital und werden damit im Konkursfall nachrangig behandelt. Das bedeutet die Forderungen von Genussscheininhabern werden erst bedient, wenn alle anderen Gläubigeransprüche (beispielsweise offene Rechnungen von Dienstleistern) befriedigt sind. Dadurch besteht das Risiko eines Totalausfalls.
Verschlechtert sich die Bonität des Emittenten, kann dies zu Kurseinbußen führen. Da die Gefahr einer Insolvenz und des damit einhergehenden Totalausfalls der Genussscheine steigt, sinkt die Nachfrage und damit der Kurs.
Das Emissionsvolumen von Genussscheinen ist in der Regel deutlich geringer als das von Anleihen. Die geringe Stückzahl erschwert den Verkauf und Handel mit den Wertpapieren. Aufgrund der geringen Marktliquidität besteht ein erhöhtes Risiko bei einem Verkauf keinen fairen Preis zu erzielen.
Welche Vorteile Anleger genießen und welche Risiken sie in Kauf nehmen, hängt von den unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen eines Genussscheins ab.
Der Grund dafür ist, dass es kaum gesetzliche Vorgaben für die Ausgabe von Genussscheinen gibt, wodurch emittierende Unternehmen eine große Flexibilität bei der Gestaltung besitzen.
Die jeweiligen Genussscheinbedingungen werden bereits bei der Emission festgelegt und sind dem Emissionsprospekt oder Informationsblatt zu entnehmen. Folgende Ausstattungsmerkmale sind üblich und sollten unbedingt beachtet werden:
Laufzeit | |
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Begrenzt, fest: Es gibt einen fixen Rückzahlungstermin für die geleistete Einlage. | Unbegrenzt: Es gibt keinen festen Rückzahlungstermin. |
Ausschüttung | |
Fixe Ausschüttungen mit einem fest vereinbarten Zinssatz. | Erfolgsabhängige Gewinnbeteiligung durch variablen Zinssatz (sogenannter Floater). Zudem kann hier eine Mindestverzinsung vereinbart werden. |
Aussetzen der Ausschüttung | |
Die Ausschüttungen sind fix. | Gewinnausschüttungen können in Abhängigkeit von der Gewinnsituation des Unternehmens ausgesetzt oder aufgeschoben werden. |
Nachzahlungsanspruch | |
Es gibt keinen. | Wenn Gewinnausschüttungen ausgesetzt werden, müssen sie zu einem späteren Zeitpunkt nachgezahlt werden. |
Beteiligung an Verlusten | |
Keine Beteiligung an Verlusten des Emittenten. (Das Risiko des Totalverlustes im Insolvenzfall besteht weiterhin.) | Beteiligungen an Verlusten über die Höhe der geleisteten Einlage hinaus (Nachschusspflicht). |
Beispiele für die Gestaltung von Genussscheinen
Wie sehr einzelne Genussscheine voneinander variieren können, zeigt folgende Tabelle. Dabei wurden drei Beispiele aus der Vergangenheit gewählt:
Bertelsmann Genussschein 2001 (ISIN: DE0005229942) |
Commerzbank Genussschein 00/2010 (ISIN: DE0008032053) |
BERGFÜRST Genussschein Middendorf Haus Hamburg |
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Investitions- gegenstand |
Unternehmen | Bank | Immobilien |
Stückpreis/ Mindestanlage- volumen |
10 € | 1.000 € | 250 € |
Ausschüttung | 15 % p.a. | 6,38 % p.a. |
3,5 % p.a. + einmaliger Bonuszins von 23 % |
Aussetzen der Ausschüttung |
ja | ja | nein |
Nachzahlungs- pflicht |
ja | ja |
Hinfällig, da Aussetzen der Ausschüttung nicht möglich |
Verlust– beteiligung- |
ja | ja | nein |
Laufzeit | unbegrenzt | begrenzt | begrenzt |
Kündigungsrecht Emittent |
nein | ja | ja |
Rückgaberecht Anleger |
ja | nein | nein |
Emissionsvolumen | 285.860.290 € | 320.000.000 € | 1.100.000 € |
Handelbarkeit | Börse | Börse |
BERGFÜRST Sekundärmarkt |
Wandelrecht | nein | nein | nein |
Optionsrecht | nein | nein | nein |
Prinzipiell stellen Genussscheine eine Investitionsmöglichkeit für Privatanleger dar. Dennoch kommt es stets auf die konkreten Ausstattungsmerkmale an.
Darauf sollten Sie vor einer Investition in Genussscheine achten:
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