Von Clara Heße, Mauritius Kloft – aktualisiert am 30.11.2023
Machen Sie sich Gedanken darum, wie Ihre Investment-Entscheidungen die Umwelt beeinflussen? Falls Sie diese Frage
bejahen, sind Sie in guter Gesellschaft. Denn grüne Investments haben seit den 2010ern einen regelrechten Boom erlebt
und der Trend könnte anhalten.
Europa positioniert sich als Zentrum des grünen Kapitalmarkts: 83 % der
Investitionen in nachhaltige Geldanlagen kommen
hierher, schreibt das Analyseunternehmen Morningstar[1].
In diesem Ratgeber erfahren Sie, was nachhaltige ETF sind, wie Sie nachhaltige Investments identifizieren können und was
Sie noch vor der Anlage beachten sollten.
Nachhaltige ETF (englisch für „Exchange Traded Funds“) sind eine spezielle Form sogenannter grüner oder ethischer
Investments. Sie sind börsengehandelte Fonds – das bedeutet,
diese
Fonds können Sie an der Börse frei erwerben und
verkaufen.
ETF sind im Regelfall passiv verwaltete Indexfonds, bei denen per Computersteuerung ganze
Aktienindizes abgebildet
werden. Die Performance passiver Fonds entspricht so einer Nachbildung der Entwicklung eines ganzen Marktbereichs. Die
Portfolios großer Indexfonds enthalten hunderte unterschiedliche Aktien. Von welcher Art von Unternehmen diese
Aktien
sind,
hängt von der Ausrichtung der Indizes ab.
Aktive ETF haben ein eigenes
Fondsmanagement, also ein Team aus Managern und Analysten. Ihr Ziel ist es, eine besserer Performance zu erzielen als
der Vergleichsindex.
Das zeichnet nachhaltige ETF aus
Nachhaltigkeitsfonds unterscheiden sich von regulären ETF insofern, als dass sie an Aktienindizes gekoppelt sind, die
Unternehmen anhand sozialer und ökologischer Kriterien auswählen bzw. ausschließen.
Durch die engen Auswahlkriterien enthalten die Portfolios von nachhaltigen ETF weniger unterschiedliche Aktien als die
ihrer regulären Pendants. Dadurch ist die Streuung des Risikos etwas geringer.
Nachhaltige Indizes orientieren sich meist an ESG-Daten. Diese Daten sind Leistungskennzahlen, die
nichts mit den
Finanzen eines Unternehmens zu tun haben, sondern eine Sozial- , Führungs- und Umweltbilanz
repräsentieren.
Das Kürzel ESG steht für
Große Indexanbieter wie MSCI, FTSE oder Stoxx beschäftigen Analysten-Teams für die Erhebung und Bewertung von ESG-Daten.
Es gibt auch
unabhängige Agenturen, die ESG-Ratings erstellen.
Die Indexanbieter bzw. die ETF-Anbieter verfolgen unterschiedliche Investmentphilosophien für die Umsetzung der
ESG-Kriterien. Ein Überblick über die gängigsten Investmentansätze[3]:
ESG best-in-class
ESG best-in-progress
Socially Responsible Investment (SRI)
Impact Investing
Sektorspezifisch
Diese Indizes bilden einen nachhaltigen Sektor ab, beispielsweise Produzenten erneuerbarer Energien wie
Wind- und Wasserkraft, Solarenergie oder ökologische Lebensmittelproduzenten.
Nicht alle nachhaltigen ETF auf dem Markt passen ganz genau in diese Einteilung, sondern oft vermischen sich
Kategorien. In der Regel können Sie bei der Recherche zu einem grünen ETF-Produkt aber ein oder zwei
dieser Ansätze ausmachen.
Beispiel: Kriterien nachhaltiger ETF
Fondsname |
Kriterien |
---|---|
iShares MSCI World SRI UCITS ETF EUR (Acc) | Auswahl von Unternehmen mit guten ESG-Scores (ESG best-in class). |
UBS ETF MSCI World Socially Responsible UCITS ETF (USD) A-dis | Auswahl von Unternehmen mit hohen ESG-Scores und geringerer Carbon Exposure im Vergleich zum Gesamtmarkt. |
US Vegan Climate ETF | Ausschlusskriterien sind Ausbeutung und Schaden an Tieren, fossile Brennstoffe, Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen, Waffenbau. |
Mangelnde Vergleichbarkeit
Wie Herausgeber Terminologie verwenden und Informationen zu ihrem Produkt präsentieren, ist
kaum
reguliert. Das erschwert es Ihnen als potentielle Investorin oder Investor, Produkte miteinander zu
vergleichen. Das gilt besonders dann, wenn ein Fonds nicht in Europa sondern zum Beispiel in den USA oder außerhalb der
Industrieländer beheimatet
ist. Wichtig ist daher, dass Sie sich vor einem Investment informieren und auf unabhängigen Seiten zu
den nachhaltigen ETF recherchieren.
Ein weiteres Problem grüner ESG-Investments ist die mangelnde bzw. uneinheitliche Grundlage, auf der
ESG-Daten
erhoben und bewertet werden.
Das zeigt sich beispielsweise darin, dass sich Fragebögen in Umfang und Qualität unterscheiden und
unterschiedliche Aspekte von Nachhaltigkeit abfragen. Die Unternehmen füllen diese Fragebögen aus und auf dieser
Datengrundlage werden ESG-Scores berechnet.
EU-Regulationen
Die Europäische Union hat im Zuge des „Green Deal“ im Jahr 2019 Schritte eingeleitet, um einheitliche Standards
für die Erhebung und Prüfung von ESG-Daten zu schaffen.
Eine neue Taxonomie der Europäischen Kommission legt fest, was nachhaltiges Wirtschaften konkret
bedeutet. Eine
Taxonomie ist ein Modell mit eindeutigen Klassen und Kategorien. Es begrenzt, welche Produkte unter dem Begriff
Nachhaltigkeit auf dem Kapitalmarkt beworben werden dürfen und legt neue Bewertungsstandards an Unternehmen an.
Die werden nur dann als ökologisch eingestuft, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu Umweltzielen leisten, also
zum Beispiel Natur und Artenvielfalt schützen und wiederherstellen, Wasserressourcen nachhaltig nutzen und
Umweltverschmutzung vermeiden.
Dadurch wird sich die Grundlage verändern, auf der europäische Anlegerinnen und Anleger grüne Investments miteinander
vergleichen
können, weil es klare Standards geben wird[4].
Bis zur vollständigen Umsetzung aller neuen Regulationen wird es voraussichtlich noch etwas dauern. Neue
Richtlinien treten nach und nach in Kraft, Unternehmen müssen also in den nächsten fünf bis sechs Jahren jedes
Jahr
mehr Vorgaben umsetzen und mehr Informationen offenlegen.
Die Performance europäischer ETF mit ESG-Ausrichtung war zwischen 2010 und 2019 laut einer Analyse von PwC im
Durchschnitt 9 % besser als die Performance traditioneller Fonds[5].
Nachhaltige Fonds sahen zudem einen höheren prozentualen Zuwachs an Investments. Dieser Trend kehrte sich 2022
allerdings um und Anlegerinnen und Anleger zogen vor dem Hintergrund globaler Krisen mehr Geld aus grünen Fonds,
als sie einzahlten.
Für Performanceunterschiede zwischen regulären Fonds und ESG-Fonds spielen einige
Faktoren eine Rolle:
Performancevergleich von MSCI-Indizes zwischen 2012 und Anfang 2023
Auch innerhalb von ESG-Indizes (bzw. ESG-ETF) gibt es Unterschiede, wie folgender Kursvergleich zwischen dem
MSCI ACWI
SRI Standard und dem MSCI ACWI ESG Leaders Standard zeigt. Beide Indizes basieren auf dem
breit gestreuten All Country
World
Index (ACWI), der rund 2.900 Unternehmen weltweit umfasst.
Der MSCI ACWI ESG Leaders verfolgt einen
best-in-class-Ansatz: Hier finden sich nur Unternehmen mit einem hohen ESG-Score im Vergleich zu ihren
Branchenkollegen
(siehe oben). Der MSCI ACWI SRI verfolgt ebenfalls einen solchen Investmentansatz und listet nur Firmen, die
hervorragende
ESG-Ratings aufweisen. Gleichzeitig schließt der Index Konzerne anhand von Negativkriterien aus (SRI).
Sie sehen: Beide Indizes verlaufen ähnlich, doch die Kursausschläge beim MSCI ACWI SRI Standard sind größer.
Pauschal lässt sich das natürlich nicht sagen. Gerade deshalb ist es jedoch entscheidend, einen genauen Blick auf das Thema zu
werfen.
Der Begriff „Greenwashing“ bezeichnet den Versuch vorzugeben, systematisch nachhaltig zu
handeln, dies aber nicht tatsächlich zu tun. So geht es zum Beispiel um die Befürchtung, dass eine Fondsgesellschaft Sie
als
Anlegerin und Anleger hinters Licht führt, indem sie Ihnen falsche Informationen präsentiert[6].
Für nachhaltige ETF ist primär eine andere Form von Greenwashing relevant: die sogenannte selektive
Informationspreisgabe. Sie kann so aussehen, dass grüne Fonds mit nachhaltigen Attributen werben, aber die
Information
schwer zugänglich machen, dass sie etwa in fossile Brennstoffe investieren. Die verfügbaren Informationen sind dann
nicht falsch, aber schwer zu durchschauen.
Was ist wirklich nachhaltig an grünen Investments?
Recherchen des Finanzinformationsdienstleisters Morningstar haben ergeben, dass die meisten ESG-Fonds
Nachhaltigkeitsstandards zumindest teilweise erfüllen.
Das bedeutet, im Vergleich zu traditionellen Fonds bieten grüne Investments Ihnen als Anlegerin oder Anleger im
Regelfall folgende
Unterschiede:
Oft sind nachhaltige ETF spezialisierte Fonds mit einer klaren Nische, die sich von ihrer Konkurrenz abheben. Klare und
konkrete
Beispiele in der Dokumentation eines ESG-Fonds, wie der Fonds sich für Ziele engagiert und Nachhaltigkeitskriterien
umsetzt, sind ein gutes
Zeichen.
Was ist nicht nachhaltig an grünen Investments?
Hier finden Sie einige Negativbeispiele, die für Sie bei einer Recherche über grünen Fonds von
Interesse sein könnten:
Das geht sehr leicht. Über einen Online-Broker oder ein Depot bei einer Bank können Sie nachhaltige ETF
direkt kaufen und
verkaufen.
Einige Banken und Broker bieten auch nachhaltige ETF-Sparpläne
mit einer festgelegten Sparrate an. So zahlen Sie über längere
Zeiträume in den ETF ein. Oft ist das bereits ab 10 € möglich. Die besten Konditionen für Ihre Bedürfnisse können
Sie über diverse Broker-Vergleich-Seiten im Internet finden.
Wie Sie grüne ETF recherchieren können
Wenn Sie in nachhaltige Aktienfonds investieren möchten, müssen Sie aus einer sehr großen Anzahl an Produkten eine
Auswahl
treffen. Hier kann Ihnen eine gründliche Recherche helfen. Vor einer Investmententscheidung gibt es verschiedene Quellen
für Informationen. Ein Überblick:
Informationen von ETF-Anbietern
Fondsanbieter veröffentlichen ausführliche Informationen zu Performance und wichtigen Kennzahlen von nachhaltigen ETF
auf
der Homepage des Anbieters.
Informationen zu Wertentwicklung und Rendite, Fondsvermögen, Volatilität und Gesamtkostenquote sind sehr wichtig. Diese
Informationen sind gut vergleichbar.
Weniger gut vergleichbar sind Informationen, die mit dem Nachhaltigkeitsziel des Fonds zusammenhängen. Je nach Anbieter
werden sie anders dargestellt. Manche Anbieter stellen sehr ausführliche Daten und Erklärungen zur Verfügung, andere
fassen sich sehr kurz. Indizien für gute nachhaltige Aktienfonds sind anschauliche und ausführliche Informationen zum
Auswahlverfahren und zum Dialog mit den Unternehmen, die im Portfolio sind.
Die Antwort auf folgende Fragen sollten aus den Informationstexten auf der Website oder aus dem
Anlageprospekt
hervorgehen:
ESG-Ratingagenturen
Bei ESG-Ratingagenturen finden Sie weitere Infos. Diese bewerten Unternehmen und Fonds und vergeben Noten für
Nachhaltigkeit und ESG-Risikomanagement.
Sie können anhand der ISIN eines Fonds die Datenbanken vieler Ratingagenturen selbst durchsuchen und Bewertungen
aufrufen.
Die Suchmaske finden Sie in der Regel auf der Homepage der jeweiligen Agentur. Womöglich erheben Agenturen für die
Nutzung ihrer Tools Gebühren.
Folgende bekannte Finanzdienstleister erstellen ESG-Ratings:
Zu den Bewertungen der Ratingagenturen müssen Sie wissen, dass die Agenturen zum Teil uneinheitliche Methoden
verwenden[7]. Wenn Sie sichergehen möchten, dass die Methoden Ihren Ansprüchen genügen, müssen Sie sich genauer
informieren. In
Jahresberichten oder speziellen Erklärungstexten können Sie in der Regel nachlesen, an welche Informationsstandards sich
ein Dienstleister hält. Allerdings ist das ein komplexes Thema. So eine Recherche kann viel Zeit in Anspruch nehmen und
ist nicht für jeden Anleger zielführend.
ETF-Ratgeber
Zu guter Letzt können Sie sich auf Ratgeber-Websites informieren und Empfehlungen durchlesen, um
vielversprechende grüne Geldanlagen zu
finden. Da die Anlageklasse inzwischen so beliebt ist, finden Sie auf Vergleichsportalen für ETF meist eine spezielle
Kategorie für Ökofonds oder ESG-ETF.
Die Portale justETF und trackinsight
haben zum Beispiel solche Kategorien und berichten regelmäßig über das Thema. Es
gibt darüber hinaus Seiten, die sich ausschließlich auf grüne Investments konzentrieren.
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