Von Lana Iliev – aktualisiert am 10.11.2022
Finanzberatungen speziell für Frauen sind auf dem Vormarsch: Immer mehr Angebote werben um die Gunst von Anlegerinnen.
Eigentlich keine Überraschung, hat sich in den letzten Jahren doch vieles getan in der Finanzwelt. Die anhaltenden Niedrig- und Negativzinsen auf Sparkonten drängen nun auch vermehrt Frauen dazu, das Ersparte sinnvoll zu parken. So wird es zunehmend schwieriger für den Ruhestand vorzusorgen und die eigene Rente zu sichern.
Zwar erleben Finanzberatungen, die auf die Bedürfnisse von Frauen spezialisiert sind, einen Aufschwung, doch völlig neu ist die Idee nicht – immerhin bestehen manche Angebote bereits seit 20 oder 30 Jahren. Das Konzept scheint also durchaus auf eine Nachfrage zu stoßen – doch warum braucht es überhaupt ein besonderes Beratungsangebot für Frauen?
Als Hauptgrund wird der Gender Pension Gap und die daraus resultierende höhere Altersarmut bei Frauen angeführt. Der Gender Pension Gap besagt, dass Frauen in Deutschland durchschnittlich geringere Rentenzahlungen erhalten als Männer.
Andere Lebenssituation für Frauen
Die Gründe für die geringeren Rentenzahlungen für Frauen sind vielschichtig und finden Eingang in die auf Frauen zugeschnittene Finanzberatung, um vor Altersarmut zu schützen und sie durch die richtige Vorsorge zu verhindern.
Dass Frauen stärker von Altersarmut betroffen sind, liegt zwar auch daran, dass sie durchschnittlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Vor allem wirkt sich hier jedoch aus, dass Frauen häufiger ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und in Teilzeit tätig sind, um sich Kindern und Familie zu widmen. Dies führt dazu, dass Frauen, obwohl sie arbeiten, im Schnitt sieben Jahre weniger in ihre Altersvorsorge einzahlen (Quelle: Zeit Online ).
Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen sich weniger um ihre Finanzen kümmern, seltener aktiv Vermögensaufbau betreiben und zu häufig auf ihren Partner verlassen, wenn es um die Vorsorge geht. So wurde in einer Studie der Schweizer Bank UBS festgestellt, dass über die Hälfte (60 %) der Frauen in Deutschland Finanzentscheidungen ihren Partnern überlassen. Das Klischee, dass Finanzen eine Männerdomäne sind, wird somit leider immer noch allzu häufig gelebt.
Zudem erweisen sich Frauen immer noch als besonders zurückhaltend im Umgang mit ihren Finanzen. So waren im Jahr 2020 gerade einmal 36 % aller Anleger und Anlegerinnen, die in Deutschland Aktien oder Anteile an Aktienfonds halten, weiblich (Quelle: Deutsches Aktieninstitut ).
Diese Unterschiede bei Frauen macht sich meist erst zu spät bemerkbar. Für Frauen und Männer herrschen unterschiedliche Lebenssituationen vor, wenn es um die Absicherung und Finanzthemen geht. Finanzberatungen für Frauen versprechen genau diese Unterschiede in den Blick zu nehmen und die besondere Situation der Frauen zu berücksichtigen.
Denn gerade Frauen, die weniger Geld für den Vermögensaufbau zur Verfügung haben, müssen Geld anlegen, um finanzieller Abhängigkeit vorzubeugen. An dieser Stelle setzen Finanzberatungen speziell für Frauen an. Wissenslücken sollen getilgt werden, um späteren Versorgungslücken entgegenzuwirken.
Bei einer Frauenfinanzberatung wird die individuelle Situation der Kundin analysiert und es werden finanzielle Ziele definiert. Darauf aufbauend wird eine Strategie zum Vermögensaufbau entwickelt und in einem Finanzplan festgehalten.
Mit dem Finanzplan soll sichergestellt werden, dass die festgelegten Ziele erreicht werden – zum Beispiel genug Vermögen für die Altersvorsorge der Frau aufzubauen. Der erstellte Finanzplan legt beispielsweise eine Strategie für das Investment in Aktien oder Fonds fest.
Bei der Finanzberatung geht es jedoch nicht ausschließlich um das Thema Geldanlage. So können sich Frauen hier auch zu weiteren Themen beraten lassen: Beispielsweise zur Baufinanzierung für die eigene Immobilie oder zur Absicherung durch Versicherungen – von der privaten Rentenversicherung über die Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherung bis hin zur Sachversicherung.
Optional vermittelt die Finanzberaterin oder der Finanzberater auch die passenden Finanz- und Versicherungsprodukte und unterstützt anschließend die Umsetzung des entwickelten Finanzplans.
Prinzipiell unterscheidet sich der Ablauf einer Finanzberatung speziell für Frauen nicht von einer geschlechtsunspezifischen Finanzberatung. Dennoch scheint es eine Diskrepanz zu geben, wenn Frauen Finanzberatungsangebote wahrnehmen.
Finanzberatungen verlaufen für Frauen anders
Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, des Finanzforschungsinstituts SAFE und der Universität Frankfurt haben ergeben, dass Frauen mehr für die Geldanlage zahlen als Männer. Die Auswertung von 27.000 Dokumentationen von Beratungsgesprächen zeigt, dass Frauen teurere Fonds empfohlen werden, die geringere Renditen abwerfen. Daraus resultierend bezahlen Frauen höhere Kosten bei der Geldanlage.
Für diese Diskrepanz nennt das Institut gleich mehrere Gründe: So konnten die Wissenschaftler feststellen, dass die Sensibilität für die Kosten von Finanzprodukten und deren Auswirkungen auf die Rendite bei Frauen generell weniger ausgeprägt zu sein scheint. So handelten Männer in den Gesprächen häufiger Rabatte aus als Frauen dies taten. Zudem waren Frauen eher geneigt „Rundum-Sorglos-Pakete“ zu wählen, die zwar mehr Sicherheit versprechen, gleichzeitig aber auch mit höheren Kosten versehen sind.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Finanzberatungen speziell für Frauen durchaus sinnhaft sein könnten. Es gibt jedoch ein anderes Problem, das allen Finanzberatungen inhärent ist: Provisionen.
Interessenkonflikt bei provisionsbasierter Finanzberatung
Ein grundlegendes Problem von Finanz- und Bankberatungen ist, dass sie für Anlegerinnen und Anleger zunächst kostenlos sind. Denn abgerechnet wird später: Die Anlageberaterinnen und -berater finanzieren sich über Provisionen. Das bedeutet, sie erhalten Geld, sobald sie bestimmte Anlageprodukte oder Versicherungen erfolgreich vermittelt haben. Finanzberatungen exklusiv für Frauen sind hier keine Ausnahme.
Dieser Umstand führt nicht nur zu einem Interessenkonflikt, bei dem fraglich bleibt, ob die empfohlenen Produkte wirklich die beste Wahl für die Kundin oder den Kunden sind oder einfach nur die höchste Provision für die Beraterin oder den Berater abwerfen. Zusätzlich sind diese Anlagen meist teurer: Die Provisionen gehen in Form von Gebühren häufig zulasten der Kundinnen und Kunden.
Damit Sie nicht in die Provionsfalle tappen, lohnt es sich gleich zu Anfang Geld in die Hand zu nehmen und eine Honorarberatung in Anspruch zu nehmen. „Honorar-Anlageberater*in“ sowie „Honorar-Finanzanlagenberater*in“ sind geschützte Berufsbezeichnungen.
Berater, die diese geschützten Berufsbezeichnung nutzen, müssen provisionsunabhängig agieren und werden vom örtlichen Gewerbeamt oder durch die BaFin (Bundesanstalt für Finanzaufsicht) zugelassen und überwacht. Anstelle von Provisionen, erhalten diese Beraterinnen und Berater ein Honorar von der Kundin oder dem Kunden. So lassen sich Interessenskonflikte vermeiden.
Manchmal ist es gar nicht so leicht zu erkennen, ob es sich um eine honorarbasierte oder eine provisionsbasierte Finanzberatung für Frauen handelt. Informieren Sie sich also genau, was Ihre Beraterin oder Ihr Berater an Ihnen verdient. Mittlerweile ist es sogar gesetzlich vorgegeben, dass diese Information offengelegt werden muss.
Unseriöse Beratungsangebote
Bei der Finanzberatung geht es um Geld – und das lockt auch unseriöse Angebote auf den Markt. Die Verbraucherzentrale NRW hat eine Checkliste mit Merkmalen zusammengestellt, an denen Sie unseriöse Finanzberater identifizieren können.
Am besten können Frauen die Kosten bei der Geldanlage jedoch reduzieren, wenn sie selbstständig agieren und ihr Geld eigenständig investieren. Eine Finanzberaterin oder ein -berater für Frauen informiert und hilft den Kundinnen bei einer Entscheidung – doch letztendlich sind es die Anlegerinnen, die sich für eine individuelle Lösung entscheiden müssen und die Verantwortung tragen.
Inzwischen gibt es ein großes Angebot an Blogs und Podcasts, die sich insbesondere an Frauen richten. Diese Quellen bieten eine gute Grundlage, um sich eigenständig zu informieren, kosteneffizient Vermögensgestaltung zu betreiben und für den eigenen Ruhestand vorzusorgen.
Das Problem liegt bei vielen Frauen jedoch häufig nicht im gründlichen Selbststudium und dem damit erworbenen Finanzwissen, sondern im Anfangen. Dabei ist es gerade bei der Altersvorsorge von besonderer Wichtigkeit früh anzufangen, denn ein langfristiger Anlagehorizont gleicht sowohl geringe wirtschaftliche Mittel als auch Verluste aus risikoreichen und renditestarken Geldanlagen aus.
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