Von Mauritius Kloft, Dr. Sabine Theadora Ruh – aktualisiert am 29.11.2023
Die Deutschen werden immer älter, Beitragszahlerinnen und Beitragszahler immer weniger – die Rentenkasse steht schon
lange vor einem finanziellen Problem. Die finanziellen Herausforderungen werden sich in den nächsten Jahren deutlich
verschärfen.
Um das zu lösen, will die Bundesregierung die Aktienrente starten: Ein Staatsfonds soll also das derzeitige
Rentensystem stützen. Kann das gelingen? Wie funktioniert die Aktienrente überhaupt? Und welche Kritik gibt es an der
Idee einer kapitalgedeckten Altersvorsorge? Wir erklären es Ihnen.
Was bedeutet die Aktienrente für
mich? Was Sie dazu
wissen sollten
Wie berechnet sich eigentlich meine
Rente? Erfahren Sie es hier!
Die Ampelkoalition unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will einen staatlichen Fonds einrichten,
dessen Erträge die
gesetzliche Rentenversorgung ab Mitte
der 2030er-Jahre stärken soll[1]. Durch die breit gestreute
und langfristige Anlage am Kapitalmarkt erhofft sich
die Bundesregierung regelmäßige Renditen.
Der Kapitalstock aus diesem Fonds soll das bestehende System der
umlagefinanzierten Rente durch Einnahmen ergänzen. Es ist damit keine direkte Aktienrente für gesetzliche Versicherte,
vielmehr läuft es unter dem Namen „Generationenkapital“.
Vorbild für die Aktienrente ist Schweden. Dort wird ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge in den Investmentfonds AP7
Safa investiert[3], der in den vergangenen zehn Jahren ein
Plus von 285 % erwirtschaftet hat. Zudem kommen jährlich 4,2 Mrd. € in den Topf – bei etwas mehr als zehn
Millionen Schweden.
Das deutsche Modell setzt auf den Aufbau einer Aktienrücklage mit Kapital aus dem
Bundeshaushalt. Eigentlich wollte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ab 2024 erstmalig zwölf
Milliarden Euro in diesen Topf einzahlen, finanziert über Schulden. Doch wegen des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts im November 2023 wird das Projekt vorerst verschoben. Das Kapital sollte also nicht aus den Beitragszahlungen der Beschäftigten in
die Rentenkasse fließen.
Eigentlich sollte das Geld in einen global diversifizierten Aktienfonds
investiert werden. Die erzielten Erträge sollen, zumindest laut ursprünglicher Planung, ab Mitte
der 2030er-Jahre die gesetzliche Rentenversicherung unterstützen.
Die Hoffnung dabei: Die Zinsen für die auszugebenden Bundesanleihen zur Schuldenaufnahme liegen unter der
langfristigen
Rendite der Kapitalmärkte, so dass sich die Spekulation rentiert. Den Betrag von zwölf Milliarden Euro wollte die
Regierung in den folgenden Jahren jährlich um drei Prozent erhöhen. Bis 2035 strebt der Bund ein Volumen von insgesamt
200 Mrd. € an. Doch wegen der aktuellen Haushaltslage ist das offen. Wir halten Sie über die Pläne auf dem Laufenden.
Die Leitung des Staatsfonds soll Anja Mikus übernehmen, die bereits den Fonds zur kerntechnischen
Sanierung (Kenfo) führt. Der Kenfo wurde 2017 als öffentlich-rechtliche Stiftung vom Bund gegründet, mit dem Ziel, die
finanziellen Folgen des Atomausstiegs zu bewältigen[4].
Das gesetzliche Rentensystem steht unter Druck: Denn immer weniger Beitragszahler zahlen für immer mehr Rentnerinnen und
Rentner[6]. Das
arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet etwa damit, dass im Jahr 2030 67
Rentnerinnen und Rentner auf 100 Beitragszahler kommen[7]. Zum Vergleich: 2020
waren es nur 57, 1992 nur 37.
Aktuell geht die Generation der sogenannten Babyboomer (Geburtsjahre 1946 bis 1964) in den Ruhestand, was die
Rentenkasse zusätzlich belastet. Möglich ist in der Folge, dass die Rentenbeiträge oder das Renteneintrittsalter weiter
steigen könnten. Über die Aktienrente will der Bund die Rentenbeiträge künftig möglichst stabil halten – oder zumindest
nur geringfügig ansteigen lassen[8].
Zugleich soll das Rentenniveau bei dem aktuellen Wert von 48 % festgeschrieben werden. Das Rentenniveau ist ein
Prozentwert, der das Verhältnis zwischen der Standardrente und dem Durchschnittseinkommen in Deutschland widerspiegelt.
Die Standardrente meint die Rente, die ein Versicherter nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittsentgelt erhält.
Neue Ideen für die Rentenkasse sind dringend notwendig. Schon aktuell gleicht der Bund das Defizit der Rentenkasse mit
mehr als 100 Mrd. € aus. Bis 2060 könnte sich dieser Zuschuss mehr als verdoppeln – um auch nur ansatzweise das
heutige Beitrags- und Rentenniveau halten zu können.
Nein – zumindest nicht nach den ursprünglichen Plänen. Die avisierte Summe von zwölf Milliarden Euro entspricht nicht einmal den
Rentenausgaben des Bundes für einen Zeitraum von zwei Wochen.
Das Verbraucherportal „Finanztip“ hat ausgerechnet, welche Mittel tatsächlich nötig wären. Laut der Analyse müsste der
Staatsfonds ein Volumen von mehr als 212 Mrd. € aufweisen, um eine Beitragssteigerung von einem Prozent zu
verhindern.
Hierbei nimmt das Portal an, dass am Aktienmarkt eine durchschnittliche Rendite von 8 % pro Jahr erzielt
wird[9].
Diese Renditeentwicklungen sind jedoch nicht garantiert, der Aktienmarkt unterliegt Schwankungen.
Keine – die Hoffnung ist, dass durch die Aktienrente die Rentenbeiträge in Zukunft nicht ansteigen, was positiv für
Beitragszahler wäre. Dennoch gilt: Sie müssen weiterhin selbst fürs Alter vorsorgen. Denn die Kapitaldeckung der
Rentenversicherung wird Ihre Bezüge als Rentnerin oder Rentner nicht erhöhen.
Es geht lediglich um eine Stabilisierung der gesetzlichen Rente, genauer um eine Entlastung der Einnahmenseite.
Wie sorgen Sie am besten für die eigene Altersvorsorge vor?
Am einfachsten geht die private Altersvorsorge über die breit gestreute Anlage am Kapitalmarkt. Mit einem ETF-Sparplan
beispielsweise investieren Sie in einen Indexfonds. Das
ist ein börsengehandelter Investmentfonds, der einen Aktienindex zu 100 %
nachbildet. So liegen sämtliche Vermögenswerte des entsprechenden Index in Ihrem Portfolio.
Sie können Ihr Geld auch in einen breit diversifizierten Aktienfonds anlegen, wobei die Kosten höher als bei ETF sind.
Neben der privaten
Altersvorsorge hilft die betriebliche
Versorgung zudem. Welche weiteren Möglichkeiten Sie haben, fürs
Alter vorzusorgen, lesen Sie in diesem Artikel.
Besonders Arbeitnehmervertreter stemmen sich gegen die Aktienrente[10]. Sie und
andere nennen einige Kritikpunkte. Eine
Übersicht:
Volatilität
Der Hauptkritikpunkt. Aktien unterliegen Schwankungen, es gibt keine garantierte Rendite. Langfristige
Investitionen können zwar kurzfristige Verluste ausgleichen, doch bei schlechter Performance wackelt die
Aktienrente an sich.
Finanzierung
Der Aufbau eines Kapitalstocks erfordert zunächst Ausgaben. Die deswegen von FDP-Finanzminister Lindner
geplante Finanzierung über Kredite könnte zukünftige Generationen mit noch höheren Schulden belasten.
Schließlich kann nicht vorhergesagt werden, ob die Rendite der Aktien langfristig über den Kosten für die
Kredite liegen wird.
Die genannten Beträge können zudem nur ein erster Schritt für den Aufbau einer kapitalgedeckten
Altersvorsorge sein. Sie werden nicht ausreichen, um auch nur annähernd die Erträge zu erwirtschaften, die
es braucht, um die weiterwachsenden Zuschüsse des Bundes an die Rentenkasse abzufedern. Berechnungen des
Deutschen Aktieninstitutes besagen, dass die Aktienrente auf ein Volumen von 260 Mrd. € bis zum
Jahr 2060 anwachsen muss, um das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt auf dem
heutigen Niveau zu erhalten – und das ohne Einberechnung der Inflation[11].
Wachstum
Um langfristig einen halben Prozentpunkt des Beitragssatzes zu finanzieren, müsste der Kapitalstock
kontinuierlich wachsen – auch um die Zinszahlungen in die Rentenkasse auszugleichen.
Zugriff
Bei einer Staatslösung ist es immer möglich, dass die Gelder in Zeiten knapper Haushaltsmittel für andere
Zwecke eingesetzt werden. Gerade bei einem Regierungswechsel kann das ins Spiel kommen – oder, wie jüngst geschehen, nach einem wegweisenden Urteil.
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