EU-Taxonomie: So will die EU nachhaltige Geldanlagen revolutionieren

Von Saskia Reh – aktualisiert am 11.04.2024

Überprüft von Mauritius Kloft

Die EU will bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Um das zu erreichen, haben sich die Mitgliedstaaten der EU
ehrgeizige Richtlinien gesetzt. So wollen sie bis 2030 mindestens 55 % weniger CO2 ausstoßen als
noch 1990. Dabei
soll die EU-Taxonomie-Verordnung helfen.

Doch was genau ist das? Welche Ziele hat die EU-Taxonomie? Und vor allem: Wie groß ist ihr Beitrag beim Kampf gegen
die Klimakrise? Das erfahren Sie in unserem Beitrag.


Wie genau funktioniert die EU-Taxonomie?

Das können Sie hier
nachlesen


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Was genau ist die EU-Taxonomie?

Kurz gesagt: Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen, etwa in
den Umweltschutz.
Sie definiert, welche Wirtschaftstätigkeiten in der EU tatsächlich ökologisch nachhaltig sind.

Klare Kriterien sollen es für Sie als Investorin oder Investor vereinfachen, in nachhaltige Projekte
zu investieren.
Banken und Unternehmen müssen bestimmte Standards erfüllen und transparent darüber berichten, um das
Nachhaltigkeitssiegel der Taxonomie zu erhalten[1]. Wie die
EU-Taxonomie konkret funktioniert, lesen Sie hier.

Denn das Finanzsystem spielt eine entscheidende Rolle, um die Klimaziele zu erreichen. Geldflüsse
hieraus sollen in
die nachhaltige Realwirtschaft gelenkt werden.

Bereits im Sommer 2020 hat die EU-Kommission einen Entwurf der Taxonomie veröffentlicht. Die ersten
Anforderungen an Unternehmen, Versicherungen und Banken der Verordnung gelten indes seit 2022. Künftig
werden sie weiter anziehen[2].

Denn das Klimaabkommen der EU ist ambitioniert: Bis zum Jahr 2030 will die EU die Treibhausgasemissionen im
Vergleich zu 1990 um 55 % reduzieren. Der Aktionsplan sieht zudem vor, dass erneuerbare Energien bis
2030
mindestens 32 % des Verbrauchs ausmachen. Die Energieeffizienz soll sich um mindestens 32,5 %
verbessern[3].

Wie funktioniert die EU-Taxonomie-Verordnung?

Eine Wirtschaftstätigkeit muss folgende Bedingungen erfüllen, um anhand der Taxonomie als nachhaltig eingestuft zu
werden:

  • Sie muss auf eines der sechs definierten Klima- und Umweltziele einzahlen (siehe unten).
  • Sie darf keines der anderen Ziele beeinträchtigen.
  • Und: Sie muss Mindestanforderungen an Arbeits- und Menschenrechte erfüllen.

An folgenden Klima- und Umweltzielen orientiert sich die Taxonomie dabei[4]:

  1. Klimaschutz: Unternehmen sollen den Ausstoß von Treibhausgas senken – indem sie zum Beispiel
    auf erneuerbare Energien setzen.
  2. Anpassung an den Klimawandel: Für Firmen wird es dabei auch immer wichtiger, sich an die
    Klimakrise anzupassen. Die EU-Kommission will daher mit
    diesem definierten Ziel das Risiko senken, das für Unternehmen mit den Folgen des Klimawandels einhergeht.
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen: Dieses Ziel umfasst den Schutz
    von Seen, Meeren und Ozeanen – und der Tiere sowie Pflanzen, die dort leben. Das kann
    etwa geschehen, indem Unternehmen Wasser wieder aufbereiten oder ihren Wasserverbrauch reduzieren.
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft: Die EU-Taxonomie gibt vor, natürliche Ressourcen
    effizient zu nutzen und Abfall zu vermeiden – etwa durch Recycling.
  5. Vermeidung von Umweltverschmutzung: mweltschutz ist neben dem Kampf gegen die Klimakrise ein
    zentrales Ziel der EU-Taxonomie.
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme: Unternehmen können dieses
    Ziel erfüllen, indem sie zum Beispiel nachhaltige Landnutzung fördern oder den Verlust von
    Lebensraum aufhalten.

Die delegierten Rechtsakte gelten ab dem 01. Januar 2024. Die Unternehmen sollen bereits
für 2023 zu allen sechs
Umweltzielen Bericht erstatten. Da die EU-Kommission die Ziele 3 bis 6 jedoch erst im Juni 2023 veröffentlicht hat,
muss die vollständige Dokumentation erst ab 2024 erfolgen. Für 2023 müssen taxonomiekonforme
Unternehmen lediglich
Umsatzerlöse sowie Betriebs- und Investitionsausgaben für die Umweltziele 3 bis 6 offenlegen.

Diese Unternehmen müssen aktuell die Taxonomie-Kriterien erfüllen

Gemäß der EU-Taxonomie müssen bisher Unternehmen mit den folgenden Bewertungskriterien über ihre
Nachhaltigkeitsleistung informieren:

  • mehr als 500 Mitarbeiter
  • in der EU tätig
  • Umsatz von mehr als 40 Mio. € im Jahr

Konkret müssen die Unternehmen berichten, in welchem Umfang ihre Wirtschaftsaktivitäten dazu beitragen, die
Klima-
und Umweltziele der EU
zu erreichen. Die EU-Kommission will die Verpflichtung künftig auf kleine und
mittelgroße
Unternehmen ausweiten:

  • ab 2025: alle anderen bilanzrechtlich großen Unternehmen
  • ab 2026: kapitalmarkt­orientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sofern sie nicht die Option nutzen, es
    bis zum Jahr 2028 aufzuschieben[5]

Wie wird die Einhaltung der EU-Taxonomie überprüft?

Aktuell wird die Berichterstattung der Unternehmen auf freiwilliger Basis kontrolliert. Dabei gilt,
dass Unternehmen
eine angemessene Dokumentation bereitstellen müssen, um die Daten zu erheben. Das geschieht laut dem Ökonomen und
Experten für Sustainable Finance Finn Arnd Wendland vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) derzeit in
vielen
Unternehmen noch händisch, über Tabellen und IT-Tools. Ziel sei es aber, dass die Berichterstattung digital wird und
automatisiert einlesbar zur Verfügung steht. Ein Grund dafür: Die manuelle Eingabe ist sehr fehleranfällig.

Mit der Reform der bisherigen Berichtspflicht für Nachhaltigkeit durch die sogenannte
CSRD-Verordnung (siehe
Infokasten) wird sich die derzeitige Praxis ändern, wie Wendland auf Nachfrage der Redaktion von BERGFÜRST weiter erklärt. Künftig sollen externe Prüfer die
Nachhaltigkeitsberichte der Firmen „mit begrenzter Sicherheit“ („Limited Assurance“) überprüfen.

Über den Experten

Finn Arnd Wendland
Quelle: privat

Finn Arnd Wendland forscht als Umweltökonom am Institut der deutschen Wirtschaft und ist Doktorand
an
der Professur für Kapitalmärkte & Unternehmensführung an der Universität Hamburg. Nach Erfahrungen
im öffentlichen und privaten Sektor arbeitet er aktuell zu den Themen Transformationsfinanzierung
und Berichterstattung in der Europäischen Union sowie CO2-Preisen und
marktwirtschaftlichen
Instrumenten.

„Eine solche Kontrolle gilt als vergleichsweise weniger umfangreich als eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit.“
Konkret bedeutet das: Es darf nach dem Ende der begrenzten Prüfung keine Sachverhalte geben, die die Prüfer zur
Annahme bringen, dass der Nachhaltigkeitsbericht nicht mit den Kriterien der Taxonomie übereinstimmt[6].

Die Corporate Sustainability and Reporting Directive (CSRD) ist eine weitere Verordnung der
Europäischen
Union. Sie löst die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ab. Die NFRD verpflichtet Unternehmen dazu,
Informationen zu ihren ESG-Leistungen im jährlichen Nachhaltigkeitsbericht offenzulegen.

Die CSRD soll einen Rahmen für standardisierte und vergleichbare Berichterstattung schaffen.
So liefern
Unternehmen für Sie als Investorin oder Investor transparente Informationen über ihre
Nachhaltigkeitsleistungen – strenger als bei der NFRD[7]. Mehr dazu finden Sie hier.

Derzeit gebe es jedoch keine einheitlichen Vorgaben und auch keine klaren Regeln bei Verstößen, so Wendland. Der
Experte sieht darin ein Problem: „Aktuell ist es schwierig, die Theorie auch anzuwenden. Für eine wirksame Umsetzung
brauchen wir verbindliche Standards – ohne bringt die Prüfung wenig.“

Exkurs: Greenwashing innerhalb der EU-Taxonomie?

Eigentlich soll die EU-Taxonomie Transparenz schaffen, um Greenwashing zu vermeiden. Es sei jedoch „unwahrscheinlich, dass die Taxonomie in diesem Aspekt helfen wird, Greenwashing-Vorwürfe zu reduzieren“, so Sascha Görlitz, Geschäftsführer vom Forum Nachhaltige Geldanlage auf Nachfrage der Redaktion von BERGFÜRST.

Zudem
steht die Verordnung nun selbst unter ebenjenem Verdacht: Denn im Juli 2022 hat die EU-Kommission Gas und Atomenergie unter bestimmten
Bedingungen als nachhaltige Energiequellen eingestuft. Damit gelten sie auch als taxonomiekonform.
Besonders NGOs
rief das auf den Plan – sie kritisieren diese Entscheidung scharf.

Die EU-Kommission stuft Atomkraft als umweltfreundlich ein, wenn:

  • die Anlagen hohen Sicherheitsstandards entsprechen
  • es ein Konzept für die Endlagerung des Atommülls spätestens ab 2050 gibt

Für Erdgas gelten folgende Bedingungen:

  • Anlagen müssen Kohlekraftwerke ersetzen
  • bis 2035 auf erneuerbare oder CO2-arme Gase – beispielsweise grünen Wasserstoff – umstellen

Firmen mit Fokus auf Erdgas und Atomenergie fallen somit künftig unter die CSRD – und somit unter die
Berichterstattungspflicht (siehe oben).

NGOs klagen gegen die EU-Taxonomie

Die Kritik an der Entscheidung der EU-Kommission: Sie widerspreche nicht nur der EU-Taxonomie selbst. Die Einstufung
stimme auch nicht mit den Klimazielen der EU überein (siehe oben). So gibt es keine nachhaltige Lösung für
radioaktiven Müll – und das Verbrennen von Erdgas verursacht ebenfalls CO2-Emissionen.

Im Frühjahr 2023 haben Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der World Wild Fund (WWF) eine
Klage gegen die EU-Taxonomie eingereicht. Auch Österreich und Luxemburg klagen gegen die
Verordnung. Ein Urteil
steht bislang aus – die Klage soll voraussichtlich 2024 vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg
verhandelt werden[8].

Wie kommen Sie als Anlegerin oder Anleger mit der EU-Taxonomie in Berührung?

Sie als Anlegerin oder Anleger kommen nicht direkt mit der
EU-Taxonomie in Berührung. Sie bildet eher ein Bindeglied
zwischen zwei anderen Verordnungen: der CSRD und der
Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR).

Solche Verordnungen mögen auf den ersten Blick trocken und langweilig erscheinen. Sie sind aber wichtig, um zu
verstehen, wie Sie tatsächlich nachhaltige Geldanlagen erkennen. Also lassen Sie uns einen tieferen Blick in die
Regeln werfen.

Die CSRD legt, wie oben beschrieben, fest, wie und welche Unternehmen über ihre Nachhaltigkeit Bericht erstatten
müssen. Es geht hier also um die Realwirtschaft, um Industrie- und Tech-Konzerne beispielsweise.

Die SFDR hingegen ist eine Verordnung für Finanzunternehmen – etwa Banken, Versicherungen oder
Vermögensverwalter.
Sie gibt ihnen vor, ihre Nachhaltigkeitsfaktoren offenzulegen. Sie macht letztlich die Informationen, die
Unternehmen aufgrund der CSRD veröffentlichen müssen, auf dem Finanzmarkt sichtbar.

EU-Taxonomie Infografik

Wie erkennen Sie nachhaltige Finanzprodukte?

Hier kommen Sie als Anlegerin oder Anleger ins Spiel: Die Offenlegungsverordnung SFDR legt strenge
Mindeststandards

fest, um Greenwashing zu verhindern. Es geht hier um Fonds nach Artikel 6, Artikel 8 und
Artikel 9. Die Nummern
beziehen sich auf Paragraphen aus der Offenlegungsverordnung:

  • Artikel 6-Fonds: kein explizites Nachhaltigkeitsziel
  • Artikel 8-Fonds: sogenannte „hellgrüne“ Fonds mit gewissen nachhaltigen Bestrebungen
  • Artikel 9-Fonds: „dunkelgrüne“ Fonds mit klaren Nachhaltigkeitszielen

Finanzprodukte wie Fonds, die die Bewertungskriterien der Taxonomie erfüllen, werden als umweltfreundlich
gekennzeichnet. Sie als Anlegerin oder Anleger können so leichter erkennen, welche Produkte Ihren
Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen. Sie gilt dabei auch etwa für ETF.

Aber wie genau dient die EU-Taxonomie als Bindeglied zwischen CSRD und SFDR? Kurz gesagt: Sie legt die
Bewertungskriterien fest, um die dargelegten Informationen im Finanzmarkt transparent und
einheitlich zu machen. Die
EU-Taxonomie dient folglich den Unternehmen, um ihre Berichterstattungspflichten im Rahmen der CSRD-Verordnung zu
erfüllen. Gleichzeitig ermöglicht sie es Ihnen als Anlegerin oder Anleger, die dargelegten Nachhaltigkeitsziele
mithilfe der SFDR einzusehen.

Kann die EU-Taxonomie überhaupt beim Kampf gegen die Klimakrise helfen?

Ja – so zumindest die Hoffnung von Experten. „Die EU-Taxonomie kann einen Beitrag leisten, einen besseren Überblick
über die Klimaschutz-Anstrengungen der Unternehmen zu bekommen“, so Wendland.

Unabhängig von den Plänen für ein nachhaltiges Finanzwesen gibt es eine ganze Reihe von klimapolitischen Instrumenten
– etwa den EU-Emissionshandel. Sie zielen darauf ab, die Emissionen bei den Unternehmen zu senken.
Das reiche
bislang allerdings nicht aus, um die Klimaziele der EU rechtzeitig zu erreichen.

Um die Emissionen auf Netto-Null zu senken, könne es helfen, Finanzmarktakteure –, etwa
Fondsgesellschaften und
Investoren – einzubinden. „Es ist wichtig, dass die Instrumente langfristig angelegt sind und ineinandergreifen. Die
Realwirtschaft und der Finanzmarkt müssen an einem Strang ziehen“, so Wendland weiter. Die EU-Taxonomie spiele daher
eine wichtige Rolle, da sie das Bindeglied zwischen den beiden bilde (siehe unten). Der Experte sehe jedoch die
Kritik, die es an der Taxonomie gebe – etwa bei der Zertifizierung von Atomkraft und Kohle (siehe oben).

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Diese Umweltrichtlinien greifen auf internationaler Ebene

Neben der EU-Taxonomie gibt es weitere globale Initiativen. Eine der bekanntesten ist das International
Sustainability Standards Board (ISSB)
. Dieses Gremium strebt gemeinsame Standards an – nicht nur
europaweit, sondern
international.

Das Problem aktuell laut Wendland: „Wir haben nach wie vor international ein sehr heterogenes Feld an Initiativen und
Nachhaltigkeitssiegeln. Finanzmarktakteure agieren allerdings global.“

Das heißt: Deutsche Finanzinstitute investieren im Ausland – ebenso investieren ausländische Banken in Deutschland.
Es griffen jedoch unterschiedliche Regeln, was es für die Finanzmarktteilnehmer kompliziert mache, so Wendland. Um
die Nachhaltigkeitsbilanz von Unternehmen umfassend auf dem Finanzmarkt abbilden und vergleichen zu können, bräuchte
es einheitliche Standards.

Bild-Copyright: © PantherMedia / sashk0

Quellenangaben

  1. European
    Commission: EU Taxonomy Navigator
  2. European Commission: EU taxonomy for sustainable activities
  3. European Commission: 2030 climate & energy framework
  4. VERORDNUNG (EU)
    2020/852 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
    vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung
    der Verordnung (EU) 2019/2088. Amtsblatt der Europäischen Union: Kapitel 2, Artikel 9. Hier abrufbar
  5. CSR in Deutschland: Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
  6. Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung: Auszug aus
    „Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung“. Deloitte. Hier abrufbar
  7. VERORDNUNG (EU) 2020/852 DES EUROPÄISCHEN
    PARLAMENTS UND DES RATES
    vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur
    Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088. Hier abrufbar
  8. Greenpeace: Greenpeace klagt gegen EU-Taxonomie