Lana Iliev, 05.11.2020
Es klingt paradox, doch mit zunehmender Verschuldung lässt sich die Rentabilität einer Geldanlage steigern. Wann Schulden Sinn machen und wie hoch sie sein dürfen, ohne dass die Wirtschaftlichkeit unter ihnen leidet, darüber gibt der Leverage-Effekt Auskunft.
Erfahren Sie hier, wie der Leverage-Effekt funktioniert, berechnet wird und wie Sie auch als Privatanleger vom Leverage profitieren.
Der Leverage-Effekt ist ein Begriff aus dem Finanzwesen und beschreibt die Hebelwirkung (engl. leverage), die Fremdkapital auf die Eigenkapitalrentabilität haben kann. Oder einfach erklärt: Der Leverage-Effekt beschreibt, inwiefern sich Schulden zugunsten des wirtschaftlichen Erfolgs nutzen lassen. Dabei kann sich der Leverage-Effekt sowohl positiv als auch negativ auf die Rentabilität einer Unternehmung auswirken.
Um die Funktionsweise des Leverage-Effekts zu erklären, ist es sinnvoll, zunächst ein Investitionsvorhaben ohne Hebeleffekt zu betrachten.
Angenommen es werden 10.000 € in ein Projekt investiert, das eine Investitionsrendite von 10 % abwirft. Das bedeutet einen nominalen Gewinn von 1.000 €. Da es sich bei den 10.000 € um das Geld der Investoren handelt (Eigenkapital), können sie den gesamten Gewinn für sich behalten.
Eigenkapital (EK): 10.000 € |
Gesamtkapital: 10.000 € |
Gesamtkapitalrendite (GKR): 10 % |
Gewinn: 1.000 € |
Um die Funktionsweise des Leverage-Effekts nachvollziehen zu können, ist eine Kennzahl von besonderer Bedeutung: Die Eigenkapitalrendite. Sie gibt das Verhältnis zwischen Gewinn sowie investiertem Eigenkapital an und erteilt so Auskunft über die Wirtschaftlichkeit. Je höher die Eigenkapitalrendite, desto besser. Sie lässt sich anhand folgender Formel berechnen:
Gewinn Eigenkapital x 100 = Eigenkapitalrendite |
---|
Mit dieser Formel lässt sich die Eigenkapitalrendite für das Beispiel wie folgt errechnen:
1.000 € 10.000 € x 100 = 10 % |
In der Berechnung ohne Leverage-Effekt beträgt die Eigenkapitalrendite 10 %. Sehen Sie nun, was passiert, wenn zusätzlich ein Bankkredit aufgenommen und der Hebeleffekt durch die Verschuldung zum Tragen kommt.
Die Investoren aus der ersten Berechnung wiederholen ihre Anlage. Dieses Mal nehmen sie ein Bankdarlehen über 10.000 € auf (Fremdkapital, FK). Sie investieren das geliehene Geld gemeinsam mit ihren eigenen 10.000 € (Eigenkapital), sodass die Höhe des investierten Eigenkapitals gleich bleibt. Somit beträgt das investierte Gesamtkapital nun 20.000 €. Die Gesamtrendite bleibt bei 10 % und damit beträgt der nominale Gewinn insgesamt 2.000 €.
EK: 10.000 € |
FK: 10.000 € |
Gesamtkapital: 20.000 € |
GKR: 10 % |
Gewinn: 2.000 € |
Das zusätzliche Kapital gibt es natürlich nicht umsonst: Der Bankkredit soll mit 5 % verzinst werden. Daraus resultieren Darlehenskosten von 500 €. Diese Ausgaben müssen vom Gesamtgewinn abgezogen werden, um den Gewinn der Investoren zu erhalten, der dementsprechend bei 1.500 € liegt.
FK-Zins: 5 % |
Kreditkosten: 500 € |
Gewinn ohne Kredit: 1.500 € |
Nun lässt sich erneut die Eigenkapitalrendite errechnen:
1.500 € 10.000 € x 100 = 15 % |
Durch die Hinzunahme von Fremdkapital in Form eines Darlehens konnte der Leverage-Effekt genutzt werden und die Eigenkapitalrendite wurde auf 15 % gesteigert. Statt 1.000 € beträgt der Gewinn für die Investoren nun 1.500 € – keine schlechte Bilanz.
Die Gewinnsteigerung ist plausibel, denn die Investoren konnten mit dem Bankkredit Gewinne für sich erwirtschaften. Die Differenz zwischen 5 % Fremdkapitalzins (500 €) und der Gesamtrendite von 10 % (1.000 €) können sie als Eigenkapitalinvestoren für sich behalten.
Anhand der Kennzahl der Eigenkapitalrendite (EKR) lässt sich überprüfen, ob eine Fremdfinanzierung lohnend ist. In der Theorie gilt: Je mehr Fremdkapital, desto höher die Eigenkapitalrentabilität. In der Praxis kann die Eigenkapitalrendite jedoch auch ins Negative umschlagen.
Zwei Variable beeinflussen die Eigenkapitalrendite: Der Fremdkapitalzinssatz und die Gesamtkapitalrentabilität. Folgende Beispielrechnung verdeutlicht, was passiert, wenn sich beide Variable verändern.
Angenommen die Eigenkapitalgeber möchten ihre Unternehmung genau wie in Beispiel zwei wiederholen. Die Eigenkapitalquote bleibt gleich und erneut nehmen sie ein Darlehen von 10.000 € auf. Doch die Fremdfinanzierung ist nun teurer: Die Kapitalgeber verlangen einen Fremdkapitalzinssatz von 6,5 %. Daraus resultieren Fremdkapitalkosten in Höhe von 650 €. Da die Eigenkapitalinvestoren von einer ähnlich hohen Investitionsrendite wie in der zweiten Berechnung ausgehen, nehmen sie die erhöhten Darlehenskosten in Kauf.
Gesamtkapital: 20.000 € |
EK: 10.000 € |
FK: 10.000 € |
FK-Zins: 6,5 % |
Kreditkosten: 650 € |
Doch die Investition verläuft weniger erfolgreich als beim letzten Mal: Statt 10 % Rendite, erhalten die Investoren lediglich 3 %. Das bedeutet einen Gesamtgewinn von 600 €. Da dieser niedriger ist als der Betrag, der für die Tilgung der Zinsen aufgewendet werden muss, machen die Eigenkapitalgeber ein Minus von 50 €.
GKR: 3 % |
Gewinn: 600 € |
Gewinn ohne Kredit: -50 € |
Betrachtet man die Eigenkapitalrendite, passiert Folgendes:
-50 € 10.000 € x 100 = -0,5 % |
Durch die Verteuerung des Fremdkapitals sowie die geringere Rendite sieht die Bilanz sehr viel schlechter aus: Die Eigenkapitalrentabilität ist in den negativen Bereich gerutscht und beträgt nun minus ein halbes Prozent. Dabei ist es das aufgenommene Darlehen, das die Eigenkapitalrendite ins Negative verkehrt. Denn hätten die Investoren auf den Kredit verzichtet, hätte ihr Gewinn bei 300 € gelegen und die Eigenkapitalrendite bei 3 %.
300 € 10.000 € x 100 = 3 % |
Eine Veränderung der Gesamtkapitalrentabilität oder der Zinsen für den Kredit wirken sich auf die Eigenkapitalrendite aus. Dabei kann sich diese auch ins Negative verkehren, wenn die Fremdkapitalkosten den Gesamtgewinn übersteigen. In einem solchen Fall spricht man vom Leverage-Risiko und es kommt zu Verlusten für die Eigenkapitalinvestoren. Von einer Leverage-Chance wird hingegen gesprochen, wenn der Fremdkapitalzins unterhalb der zu erwartenden Gesamtkapitalrendite liegt und mit einem positiven Leverage-Effekt zu rechnen ist.
Wie stark der Leverage-Effekt wirkt (egal ob positiv oder negativ), ist vom Verschuldungsgrad abhängig, denn durch die Hinzunahme eines Kredits wird die Eigenkapitalrendite überproportional abgebildet. Das bedeutet bei einem negativen Leverage-Effekt: Je höher ein Unternehmen oder Anleger verschuldet ist, desto verhängnisvoller geht das Investitionsvorhaben für den Eigenkapitalinvestor aus.
Beispiele | GKR | FK-Zins |
EKR |
Gewinn Eigenkapitalgeber |
Gewinn Fremdkapitalgeber |
---|---|---|---|---|---|
1 | ohne Leverage-Effekt |
10 % | – |
10 % |
1.000 € | – |
2 | positiver Leverage-Effekt |
10 % | 5 % |
15 % |
1.500 € | 500 € |
3 | negativer Leverage-Effekt |
3 % | 6,5 % |
-0,5 % |
-50 € | 650 € |
Wachsende Zinskosten: In der Praxis erhöhen teure Fremdkapitalzinsen das Leverage-Risiko. Gleichzeitig stellen eine hohe Verschuldung und eine geringe Bonität Risiken dar, die Fremdkapitalgeber dazu veranlassen, höhere Zinssätze zu veranschlagen. Deshalb steigt der Zins für ein Darlehen stets mit dem Verschuldungsgrad und Leverage-Effekte können nicht fortlaufend gesteigert werden.
Begrenzte Investitionsmöglichkeiten: Auch eine geringe Rendite erhöht das Leverage-Risiko. Doch gerade hohe Renditen gehen mit gesteigerten Risiken einher. Auch hier ergibt sich eine natürliche Grenze für den Leverage-Effekt.
Nicht nur Eigentümer von Unternehmen oder Immobilienbesitzer können Leverage-Effekte nutzen. Möchten Sie als Privatanleger vom Leverage profitieren und Ihre Eigenkapitalrendite steigern, gibt es eine Reihe von Investitionsmöglichkeiten: Ob Sie nun in Derivate, Unternehmen oder Immobilien investieren – mit fast jedem Investitionsobjekt lassen sich Leverage-Effekte nutzen. Besonders Derivate gehen jedoch mit immensen Risiken einher und aufgrund der aufgenommenen Kredite kann es zu hohen Nachschusspflichten kommen, wenn eine Investition scheitert.
Der Begriff Derivat umfasst eine Reihe von unterschiedlichen Finanzprodukten, die eines gemein haben: Sie investieren indirekt in Basiswerte wie Aktien oder Devisen. Dabei gibt es unter ihnen einige Finanzkonstrukte, die Leverage-Effekte nutzen. Derivate, die mit einem Hebel ausgestattet sind, werden auch als Hebelprodukte bezeichnet.
Dabei bezieht sich der Hebel von Derivaten nicht immer auf den Einsatz von Fremdkapital. Im Fall von Optionsscheinen steht er für ein Vielfaches des Basiswerts und bildet dessen Kursbewegung überproportional ab. Ein solcher Hebel wird als „Omega“ bezeichnet.
Der Leverage-Effekt wird sehr häufig angewendet, um die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen zu steigern. Doch nicht nur die Eigentümer des Unternehmens können von der Hebelwirkung profitieren. Auch Privatanleger können das, indem Sie in Private-Equity-Fonds oder Hedgefonds und damit indirekt in Unternehmen investieren. Diese Investitionsformen sind jedoch häufig mit Risiken und besonders hohen Mindestanlagesummen verbunden.
Auch im Bereich der Immobilien-Investments ist der Einsatz des Leverage-Effekts üblich. Professionelle Immobiliengesellschaften nutzen Mezzanine-Kapital, um die Renditen von Immobilien zu steigern.
Beim privaten Immobilienkauf ist die Aufnahme eines Bankdarlehens ebenfalls üblich und Sie können langfristig von Leverage-Effekten profitieren. Doch selbst mit einem Darlehen erfordert der Erwerb einer Immobilie eine hohe Eigenkapitalquote und damit einen gewissen Eigenkapitaleinsatz, damit die Fremdkapitalzinsen nicht zu teuer sind.
Aus diesem Grund könnte Crowdinvesting eine Alternative bieten: Viele Anleger investieren gemeinsam in Mezzanine-Kapital, sodass geringe Mindestanlagevolumen zustande kommen. Gleichzeitig erhalten Sie hohe Zinsen: Auf Anlagemöglichkeiten, die von der Immobilien-Crowdinvesting Plattform BERGFÜRST vermittelt werden, erhalten Anleger beispielsweise feste Zinsen zwischen 5,0 % und 7,0 % p.a.
Bild-Copyright: frankie’s / Shutterstock.com