Wie können Privatanleger vom Leverage-Effekt profitieren?

Von Lana Iliev, Saskia Reh – aktualisiert am 18.06.2024

Es klingt paradox: Mit zunehmender Verschuldung lässt sich die Rentabilität einer Geldanlage steigern. Doch wann
machen Schulden Sinn? Wie hoch dürfen sie sein, ohne dass die Wirtschaftlichkeit unter ihnen leidet? Darüber gibt
der Leverage-Effekt Auskunft.

Wie funktioniert der Leverage-Effekt? Wie wird er berechnet und wie profitieren Sie als Privatanleger vom
Leverage-Effekt? Das erfahren Sie in diesem Beitrag.

Wie können Sie die Vorteile des Leverage-Effekts nutzen?
Zur Erklärung

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Was ist der Leverage-Effekt?

Der Leverage-Effekt beschreibt in der Finanzwelt die Hebelwirkung, die Fremdkapital auf die Rentabilität des
Eigenkapitals haben kann. Einfach ausgedrückt: Durch den Leverage-Effekt können Sie Ihre Eigenkapitalrendite
erhöhen
, indem Sie zusätzliches Fremdkapital aufnehmen und es investieren. Auf diese Weise sichern Sie sich die
Chance auf einen höheren Gewinn, indem Sie sich auf der anderen Seite stärker verschulden. Dabei kann der
Leverage-Effekt sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Rentabilität haben[1].

Dieser Beitrag konzentriert sich auf den sogenannten Financial Leverage, der im Bereich der Kapitalstruktur
zur Anwendung kommt. Neben der Kapitalstruktur wirkt der Leverage-Effekt auch im Bereich der Kostenstruktur.
In diesem Fall spricht man vom Operating Leverage.

Leverage-Chance: Wie funktioniert der positive Leverage-Effekt?

Um die Funktionsweise des Leverage-Effekts zu erklären, ist es sinnvoll, zunächst ein Investitionsvorhaben ohne
Hebeleffekt zu betrachten.

Beispielrechnung ohne Leverage-Effekt

Angenommen, es werden 10.000 € in ein Projekt investiert, das eine Investitionsrendite von 10 % erzielt.
Das führt zu
einem nominalen Gewinn von 1.000 €. Da die 10.000 € aus dem Eigenkapital der Investoren stammen, können
sie den
gesamten Gewinn für sich behalten.

Um den Leverage-Effekt zu verstehen, ist eine Kennzahl besonders wichtig: die Eigenkapitalrendite. Sie zeigt das
Verhältnis zwischen Gewinn und investiertem Eigenkapital und gibt somit Aufschluss über die Wirtschaftlichkeit. Eine
höhere Eigenkapitalrendite ist dabei wünschenswert[2]. Sie lässt sich anhand folgender Formel berechnen:



Gewinn


/


Eigenkapital


 x 100 = Eigenkapitalrendite

Mit dieser Formel lässt sich die Eigenkapitalrendite – hier dann auch gleichzusetzen mit der Gesamtkapitalrendite –
für das Beispiel wie folgt errechnen:



1.000 €


/


10.000 €


 x 100 = 10 %

In der Berechnung ohne Leverage-Effekt beträgt die Eigenkapitalrendite 10 %. Sehen Sie nun, was passiert, wenn
zusätzlich ein Bankkredit aufgenommen wird und der Hebeleffekt durch die Verschuldung zum Tragen kommt.

Beispielrechnung mit positivem Leverage-Effekt

Die Investoren aus der ersten Berechnung wiederholen ihre Anlage. Dieses Mal nehmen sie ein Bankdarlehen über 10.000
 € auf (Fremdkapital, FK). Sie investieren das geliehene Geld gemeinsam mit ihren eigenen 10.000 €
(Eigenkapital),
sodass die Höhe des investierten Eigenkapitals gleich bleibt. Somit beträgt das investierte Gesamtkapital nun 20.000
 €. Die Gesamtrendite bleibt bei 10 % und damit beträgt der nominale Gewinn insgesamt 2.000 €.

Das zusätzliche Kapital gibt es natürlich nicht umsonst: Der Bankkredit soll mit 5 % verzinst werden. Daraus
resultieren Darlehenskosten von 500 €. Diese Ausgaben müssen vom Gesamtgewinn abgezogen werden, um den Gewinn
der
Investoren zu erhalten, der dementsprechend bei 1.500 € liegt.

Nun lässt sich erneut die Eigenkapitalrendite errechnen:



1.500 €


/


10.000 €


 x 100 = 15 %

Durch die Hinzunahme von Fremdkapital in Form eines Darlehens konnte der Leverage-Effekt genutzt werden und die
Eigenkapitalrendite wurde auf 15 % gesteigert. Statt 1.000 € beträgt der Gewinn für die Investoren nun
1.500 €.

Fazit zum positiven Leverage-Effekt

Die Gewinnsteigerung ist nachvollziehbar, da die Investoren mithilfe des Bankkredits Gewinne erzielen konnten. Die
Differenz zwischen dem Fremdkapitalzins von 5 % (500 €) und der Gesamtrendite von 10 % (1.000 €)
können sie als Eigenkapitalinvestorin oder -investor behalten.

Die Kennzahl der Eigenkapitalrendite (EKR) dient dazu, die Rentabilität einer Fremdfinanzierung zu überprüfen.
Theoretisch gilt: Je mehr Fremdkapital, desto höher die Eigenkapitalrentabilität. In der Praxis kann die
Eigenkapitalrendite jedoch auch negativ ausfallen.

Leverage-Risiko: Wie funktioniert der negative Leverage-Effekt?

Zwei Faktoren beeinflussen die Eigenkapitalrendite: Der Zinssatz für Fremdkapital und die Gesamtkapitalrentabilität.
Die folgende Beispielrechnung zeigt, was passiert, wenn sich diese beiden Variablen ändern.

Beispielrechnung mit negativem Leverage-Effekt

Angenommen, die Eigenkapitalgeber möchten ihr Vorhaben wie im zweiten Beispiel wiederholen. Die Eigenkapitalquote
bleibt unverändert und sie nehmen erneut ein Darlehen von 10.000 € auf. Diesmal sind die
Fremdfinanzierungskosten jedoch höher: Die Kapitalgeber verlangen einen Zinssatz von 6,5 % auf das
Fremdkapital. Das führt zu Kosten von 650 €. Da die Eigenkapitalinvestoren von einer ähnlich hohen
Investitionsrendite wie im zweiten Beispiel ausgehen, akzeptieren sie die erhöhten Darlehenskosten.

Doch die Investition verläuft weniger erfolgreich als beim letzten Mal: Statt einer Rendite von 10 % erzielen
die Investoren nur 3 %. Das ergibt einen Gesamtgewinn von 600 €. Da dieser Betrag nicht ausreicht, um die
Zinsen von 650 € zu decken, erleiden die Eigenkapitalgeber einen Verlust von 50 €.

Betrachtet man die Eigenkapitalrendite, passiert Folgendes:



-50 €


/


10.000 €


 x 100 = -0,5 %

Durch die höheren Fremdkapitalkosten und die geringere Rendite hat sich die Bilanz deutlich verschlechtert: Die
Eigenkapitalrendite ist auf minus 0,5 % gesunken. Das aufgenommene Darlehen hat die Eigenkapitalrendite negativ
beeinflusst. Ohne den Kredit hätten die Investoren einen Gewinn von 300 € erzielt. Das hätte einer
Eigenkapitalrendite von 3 % entsprochen:



300 €


/


10.000 €


 x 100 = 3 %

Fazit zum negativen Leverage-Effekt

Verändert sich die Gesamtkapitalrentabilität oder die Kreditzinsen, beeinflusst das die Eigenkapitalrendite. Sie kann
sich sogar ins Negative wenden, wenn die Kosten für das Fremdkapital den Gesamtgewinn übersteigen. In einem solchen
Szenario spricht man vom Leverage-Risiko, was zu Verlusten für Sie als Eigenkapitalinvestorin oder -investor führt.
Andererseits spricht man von einer Leverage-Chance. Das heißt, dass der Zinssatz für Fremdkapital unterhalb der
erwarteten Gesamtkapitalrendite liegt und ein positiver Leverage-Effekt zu erwarten ist.

Leverage-Chance: FK-Zins < GKR

Leverage-Risiko: FK-Zins > GKR

Wie stark der Leverage-Effekt wirkt (egal ob positiv oder negativ), ist vom Verschuldungsgrad abhängig, denn durch
die Hinzunahme eines Kredits wird die Eigenkapitalrendite überproportional abgebildet. Das bedeutet bei einem
negativen Leverage-Effekt: Je höher ein Unternehmen oder Anleger verschuldet ist, desto verhängnisvoller geht das
Investitionsvorhaben für den Eigenkapitalinvestor aus.

Beispielrechnungen mit und ohne Leverage-Effekt

Beispiele GKR FK-Zins
EKR

Gewinn


Eigenkapitalgeber

Gewinn


Fremdkapitalgeber

1 | ohne


Leverage-Effekt
10 %
10 %
1.000 €

2 | positiver


Leverage-Effekt
10 % 5 %
15 %
1.500 € 500 €

3 | negativer


Leverage-Effekt
3 % 6,5 %
-0,5 %
-50 € 650 €


Welche Faktoren begünstigen das Leverage-Risiko?

Steigende Zinskosten: Teure Fremdkapitalzinsen erhöhen in der Praxis das Leverage-Risiko.
Gleichzeitig stellen hohe Verschuldung und niedrige Bonität Risiken dar, die Fremdkapitalgeber dazu veranlassen,
höhere Zinssätze zu verlangen. Dadurch steigt der Zinssatz für ein Darlehen stets mit dem Verschuldungsgrad. Der
Leverage-Effekt kann sich nicht kontinuierlich steigern.

Beschränkte Investitionsmöglichkeiten: Selbst eine niedrige Rendite erhöht das Leverage-Risiko.
Jedoch sind gerade hohe Renditen oft mit erhöhten Risiken verbunden. Auch hier gibt es eine natürliche Grenze für
den Leverage-Effekt.

Wie können Privatanleger die Vorteile des Leverage-Effekts nutzen?

Nicht nur Eigentümer von Unternehmen oder Immobilienbesitzer können Leverage-Effekte nutzen. Möchten Sie als
Privatanlegerin oder -anleger vom Leverage profitieren und Ihre Eigenkapitalrendite steigern, gibt es eine Reihe von
Investitionsmöglichkeiten: Ob Sie nun in Derivate, Unternehmen oder Immobilien investieren – mit fast jedem
Investitionsobjekt lassen sich Leverage-Effekte nutzen. Besonders Derivate gehen jedoch mit immensen Risiken einher
und aufgrund der aufgenommenen Kredite kann es zu hohen Nachschusspflichten kommen, wenn eine Investition scheitert.

Beachten Sie stets, dass die Fremdkapitalzinsen nicht die Gesamtkapitalrentabilität übersteigen.

Derivate

Der Begriff Derivat umfasst eine Vielzahl verschiedener Finanzinstrumente, die eine gemeinsame Eigenschaft teilen:
Sie ermöglichen Ihnen eine indirekte Investition in Basiswerte wie Aktien oder Devisen. Unter diesen gibt es einige
Finanzprodukte, die Leverage-Effekte nutzen. Derivate, die über einen Hebel verfügen, werden auch als Hebelprodukte
bezeichnet[3].

Hebelprodukte gehen oft mit einem besonders hohen Anlagerisiko einher. Wird Fremdkapital investiert, bestehen
Nachschusspflichten, wenn eine Investition missglückt und sich der Leverage-Effekt ins Negative verkehrt. So
kann es zu unerwarteten Verlusten kommen.

Beispiele für Derivate mit Hebel sind:

  • CFDs (Contracts for Difference)
  • Forex Trading (Devisen-Handel)
  • Futures und Mini-Futures
  • Optionsscheine und exotische Optionsscheine
  • Zertifikate mit Hebel, z.B. Knockout-Zertifikate

Dabei bezieht sich der Hebel von Derivaten nicht immer auf den Einsatz von Fremdkapital. Im Fall von Optionsscheinen
steht er für ein Vielfaches des Basiswerts und bildet dessen Kursbewegung überproportional ab. Ein solcher Hebel
wird als „Omega“ bezeichnet.

Unternehmen

Der Leverage-Effekt wird oft genutzt, um die Rentabilität von Unternehmen zu verbessern. Doch nicht nur die
Eigentümer profitieren von dieser Hebelwirkung. Auch Sie als Privatanlegerin und -anleger können davon profitieren,
indem Sie in Private-Equity-Fonds oder Hedgefonds investieren und somit indirekt in Unternehmen investieren. Diese
Investitionsformen gehen jedoch oft mit Risiken und besonders hohen Mindestanlagesummen einher[4].

Immobilien

Auch im Bereich der Immobilieninvestments ist der Einsatz des Leverage-Effekts üblich. Professionelle
Immobiliengesellschaften nutzen Mezzanine-Kapital, um die Renditen von Immobilien zu steigern. Das ist eine
Finanzierungsart, die zwischen Eigenkapital und Fremdkapital liegt. Es kombiniert Eigenschaften von Eigenkapital,
wie z.B. Wandelanleihen oder Vorzugsaktien, mit Merkmalen von Fremdkapital, wie z.B. rückzahlbaren Darlehen.

Beim privaten Immobilienkauf ist die Aufnahme eines Bankdarlehens ebenfalls üblich und Sie können langfristig von
Leverage-Effekten profitieren. Jedoch erfordert selbst mit einem Darlehen der Erwerb einer Immobilie eine hohe
Eigenkapitalquote
. So stellen Sie sicher, dass der Fremdkapitalzinssatz nicht zu kostspielig ist.

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Bild-Copyright: © PantherMedia / AndreyPopov

Quellenangaben

  1. F.A.Z. Börsenlexikon: Leverage-Effekt
  2. BWL-Lexikon: Eigenkapitalrendite
  3. Gabler Wirtschaftslexikon: Derivate
  4. Kühn, M., Kühn, S. (2023). Handbuch Geldanlage – Verschiedene Anlagetypen für Anfänger und Fortgeschrittene einfach erklärt: Aktien, Fonds, Anleihen, Festgeld, Gold und Co. Berlin: Stiftung Warentest. S. 248