Von Ralf Kretzschmar – aktualisiert am 14.04.2022
Das Ertragswertverfahren ist neben Vergleichswert- und Sachwertverfahren eine Methode zur Immobilienbewertung. Lesen Sie hier, was das Ertragswertverfahren ist, wann es verwendet wird und wie genau sich der Ertragswert in fünf Schritten berechnen lässt.
Beim Ertragswertverfahren wird der Ertragswert bzw. der Verkehrswert eines Grundstücks ermittelt. Der Verkehrswert bezeichnet den erwarteten Marktpreis eines Grundstücks. Im Ertragswertverfahren werden Bodenwert und Gebäudeertragswert errechnet, um den Verkehrswert zu ermitteln.
Der Bodenwert bezeichnet hierbei den Verkehrswert des unbebauten Grundstückes. Der Gebäudeertragswert wiederum gibt die zu erwartenden Einnahmen aus der Immobilie an. Deswegen basiert der Ertragswert maßgeblich auf der Höhe der zukünftigen Miete.
Ertragswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert |
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Gesetzlich ist das Ertragswertverfahren im Bewertungsgesetz (BewG § 184 bis § 188) und in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV § 17 bis § 20) geregelt.
Beim Ertragswertverfahren steht nicht der Sachwert der Immobilie im Vordergrund, sondern wie viel Gewinn und Rendite sich durch eine Immobilie erzielen lassen. Es kann deswegen nur bei Gebäuden angewandt werden, die in Zukunft Erträge abwerfen, also zumeist Mietimmobilien. Das sind hauptsächlich:
Die Berechnung des Ertragswerts ist durchaus komplex, da sie zahlreiche Faktoren einbezieht, die außerdem nicht immer verfügbar sind. Für eine exakte Immobilienbewertung durch das Ertragswertverfahren sollten Sie deswegen auf das Wertgutachten eines staatlich geprüften Gutachters zurückgreifen.
Mit einem vereinfachten Ertragswertverfahren können Sie jedoch auch selbst einen ungefähren Anhaltspunkt für den Verkehrswert Ihrer Immobilie berechnen. Um die Berechnung in fünf Schritten zu erläutern, wird folgende Beispielimmobilie angenommen:
Als erstes soll der Bodenwert des unbebauten Grundstücks ermittelt werden. Liegen keine Preise von kürzlich verkauften Grundstücken vor, so kann auf die Bodenrichtwerte der lokalen Gutachterausschüsse zurückgegriffen werden. Der Bodenrichtwert wird mit der Fläche des Grundstückes multipliziert.
Bodenwert = Bodenrichtwert × Grundstücksfläche |
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Die Bodenrichtwerte werden von den Gutachterausschüssen mindestens alle zwei Jahre berechnet und in Bodenrichtwertkarten veröffentlicht. Die Ausschüsse ziehen hierfür die Preise zuvor verkaufter Grundstücke heran und arbeiten für das konkret betrachtete Grundstück mit Zu- und Abschlägen ausgehend von Lage, Bepflanzung etc.
Beispielrechnung | |
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Bei einem Bodenrichtwert von 500 €/m² und einer Grundstücksfläche von 400 m² ergibt sich folgender Bodenwert. | |
Bodenwert: 500 €/m² × 400 m² = 200.000 € |
In einem nächsten Schritt wird werden die erwarteten Mieteinnahmen bzw. der Grundstücksreinertrag des Gebäudes ermittelt. Für die Berechnung des Grundstücksreinertrags müssen die Bewirtschaftungskosten von den zukünftigen Jahresrohmieten bzw. dem Rohertrag abgezogen werden.
Grundstücksreinertrag = Jahresrohertrag − Bewirtschaftungskosten |
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Der Rohertrag bezeichnet die marktüblich erwartbaren Mieteinnahmen, wenn das Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet wird. Auf 12 Monate gerechnet handelt es sich dann um den Jahresrohertrag.
Jahresrohertrag = Wohnfläche × Quadratmetermiete × 12 Monate |
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Die Bewirtschaftungskosten sind jene Beträge, die bei der Bewirtschaftung des Gebäudes anfallen und die nicht auf den Mieter umgelegt werden können. Gesetzlich sind die Bewirtschaftungskosten in folgende vier Posten aufgeschlüsselt:
Hier kann mit etwa 25 % der Nettomieteinnahmen gerechnet werden.
Bewirtschaftungskosten = Jahresrohertrag × 0,25 |
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Im nächsten Schritt muss für die Berechnung des Gebäudereinertrags die sogenannte Bodenwertverzinsung vom Jahresreinertrag abgezogen werden. Das geschieht deswegen, weil der Grundstücksreinertrag nicht nur den Ertrag des Gebäudes, sondern auch die erwartete Wertsteigerung des unbebauten Grundstücks umfasst. Um also eine doppelte Erfassung des Grundstückswerts zu umgehen, wird die Bodenwertverzinsung abgezogen.
Gebäudereinertrag = Grundstücksreinertrag – Bodenwertverzinsung |
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Nach dem Bewertungsgesetz ist für die Bodenwertverzinsung der Liegenschaftszinssatz grundlegend. Der Liegenschaftszinssatz bezeichnet denjenigen Zinssatz, mit dem der Immobilienwert marktüblich im Durchschnitt verzinst wird. Der Liegenschaftszins ist hauptsächlich abhängig von Lage, Gebäudeart und Restnutzungsdauer.
Bodenwertverzinsung = Bodenwert × Liegenschaftszins |
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Der jeweilige Liegenschaftszinssatz wird von den örtlichen Gutachterausschüssen aus historischen Kaufpreisen und Reinerträgen von Grundstücken ermittelt. Nicht selten sind diese Werte jedoch umstritten oder auch nicht vorhanden. Liegen keine Daten vor, so schreibt das Bewertungsgesetz bei Mietwohngrundstücken einen Liegenschaftszinssatz von 5 % und bei Gewerbeimmobilien von 6,5 % vor.
Beispielrechnung | |
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In unserem Beispiel ergibt sich bei einem Bodenwert von 200.000 € und einem Liegenschaftszins von 5 % folgende Bodenwertverzinsung. | |
Bodenwertverzinsung: 200.000 € × 0,05 = 10.000 € | |
Dieser Wert wird nun vom Reinertrag abgezogen. | |
Gebäudereinertrag: 36.000 € − 10.000 € = 26.000 € |
Anschließend wird der Gebäudereinertrag mit dem Vervielfältiger multipliziert, um den Gebäudeertragswert zu erhalten.
Gebäudeertragswert = Gebäudereinertrag × Vervielfältiger |
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Der Vervielfältiger setzt sich aus einer Formel zusammen, die sowohl Liegenschaftszins als auch Restnutzungsdauer einbezieht. Er ist umso höher, je länger die Immobilie genutzt werden kann.
Vervielfältiger = (Liegenschaftszins + 1)[Restnutzungsdauer] – 1 (Liegenschaftszins + 1)[Restnutzungsdauer] × Liegenschaftszins |
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Ist das Gebäude noch bewohnbar, schreibt der Gesetzgeber eine Restnutzungsdauer von mindestens 30 % der sogenannten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer vor. Die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer ist im Bewertungsgesetz ebenfalls rechtlich geregelt. Bei Mehrfamilienhäusern beträgt sie beispielsweise 70 Jahre.
Beispielrechnung | |
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In unserem Beispiel ergibt sich bei einem Liegenschaftszins von 5 % und einer Restnutzungsdauer von 45 Jahren der folgende Vervielfältiger. | |
Vervielfältiger: (1,05[45] – 1) ((1.05)[45] × 0,05) = 17,77 ∼ 18 |
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Der Gebäudereinertrag wird nun mit dem (in diesem Beispiel gerundeten) Vervielfältiger von 18 multipliziert. | |
Gebäudeertragswert: 26.000 € × 18 = 468.000 € |
Anschließend werden Bodenwert und Gebäudeertragswert zusammengerechnet. In einem letzten Schritt müssen die sogenannten Wertänderungen miteinbezogen werden. Das sind weitere Umstände, die den Verkehrswert des Gebäudes mindern oder steigern können, etwa ein guter Gebäudezustand, Bauschäden oder Mietbindungen.
Ertragswert = Gebäudeertragswert + Bodenwert +/– Wertänderungen |
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Beispielrechnung | |
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Bei angenommenen Bauschäden von 68.000 € ergibt sich in unserem Beispiel der folgende Ertragswert. | |
Ertragswert: 468.000 € + 200.000 € − 68.000 € = 600.000 € |
In dieser Aufstellung finden Sie die fünf Schritt zur Ermittlung des Ertragswerts mit den Zahlen der Beispielimmobilie noch einmal im Überblick.
1. Bodenwert | ||
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Bodenrichtwert × Grundstücksgröße |
500 €/m² × 400 m² |
= 200.000 € |
2. Grundstücksreinertrag | ||
Jahresrohertrag − Bewirtschaftungskosten |
48.000 € – 12.000 € |
= 36.000 € |
Jahresrohertrag | (400 m² × 10 €/m²) × 12 | = 48.000 € |
Bewirtschaftungskosten | 48.000 € × 0,25 | = 12.000 € |
3. Gebäudereinertrag | ||
Grundstücksreinertrag – Bodenwertverzinsung |
36.000 € − 10.000 € |
= 26.000 € |
Bodenwertverzinsung | 200.000 € × 0,05 | = 10.000 € |
4. Gebäudeertragswert | ||
Gebäudereinertrag × Vervielfältiger |
26.000 € × 18 |
= 468.000 € |
Vervielfältiger | (1,05[45] – 1) ((1.05)[45] × 0,05) = |
∼ 18 |
5. Ertragswert | ||
Gebäudeertragswert + Bodenwert +/– Wertänderungen (Baukosten) |
468.000 € + 200.000 € – 68.000 € |
= 600.000 |
Das Ertragswertverfahren ist das einzige Verfahren, das sich für die Berechnung von fremdgenutzten Immobilien mit Mieteinnahmen eignet. Mit einer realistischen Datengrundlage hat das Ertragswertverfahren eine starke Aussagekraft. Sie können dann mit dem Ertragswertverfahren den erwarteten Marktpreis, also den Verkehrswert, sehr genau ermitteln.
Nachteilig am Ertragsverfahren ist, dass es stark von der Höhe des Liegenschaftszinses abhängig ist. Der Ertragswert kann durch einen nicht zutreffenden Liegenschaftszins stark verzerrt werden. Gerade für diesen Wert stehen aber, besonders in ländlichen Gebieten, häufig zu wenig Daten zur Verfügung. Weiterhin bildet das Verfahren eine Mietenentwicklung nur als Schätzwert ab. So kann bei zum Beispiel stark steigenden Mieten der realisierte Ertragswert am Ende sehr viel höher liegen. Bei sinkenden Mieten hingegen liegt der realisierte Ertragswert entsprechend unter dem berechneten Wert.
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