Ertragswert­verfahren: Einfache Berechnung in fünf Schritten

Von Mauritius Kloft – aktualisiert am 18.04.2024

Das Ertragswertverfahren ist neben Vergleichswert- und Sachwertverfahren eine Methode zur Immobilienbewertung. Es ist
für Immobilien bestimmt, die regelmäßige Erträge abwerfen. Lesen Sie hier, was das Ertragswertverfahren ist – und wie
genau Sie den Ertragswert in fünf Schritten berechnen können.

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Was ist das Ertragswertverfahren?

Das Ertragswertverfahren ist eine Methode zur Berechnung des Wertes eines Mietobjekts. Der Ertragswert stützt sich
maßgeblich auf die Höhe der künftigen Mieteinnahmen[1].

Im Ertragswertverfahren werden Bodenwert und Gebäudeertragswert errechnet, um den Verkehrswert zu ermitteln. Der
Verkehrswert bezeichnet den erwarteten Marktpreis eines Objekts. Der Bodenwert meint derweil den Verkehrswert des
unbebauten Grundstückes[2]. Der Gebäudeertragswert wiederum gibt an, wie
hoch die zu erwartenden Einnahmen aus der
Immobilie sind[3].

Ertragswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert

Gesetzlich ist das Ertragswertverfahren im Bewertungsgesetz (BewG § 184 bis § 188) und in der
Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV § 13 bis § 19) geregelt.

Wann wird das Ertragswertverfahren angewendet?

Beim Ertragswertverfahren steht nicht der Sachwert der
Immobilie im Vordergrund, sondern wie viel Rendite
sich durch eine Immobilie erzielen lässt. Es kann deswegen nur bei Gebäuden angewandt werden, die in Zukunft Erträge
abwerfen – also in der Regel Mietimmobilien.

Das sind hauptsächlich:

  • Mehrfamilienhäuser
  • Gewerbeimmobilien, etwa Büro- und Geschäftsobjekte
  • Spezialimmobilien, etwa Pflegeappartements,
    Hotels und Tankstellen
Das Ertragswertverfahren ist aufgrund der Fremdnutzung einer Immobilie vor allem für Investoren interessant. Bei
öffentlich genutzten Gebäuden (etwa Schulen) ergibt das Ertragswertverfahren keinen Sinn. Bei einer
ausschließlich privaten Nutzung des Gebäudes sollten Sie auf das Sachwertverfahren oder das
Vergleichswertverfahren zurückgreifen (siehe Alternativen).

Die Berechnung des Ertragswertverfahrens in fünf Schritten

Die Berechnung des Ertragswerts ist durchaus komplex, da sie zahlreiche Faktoren einbezieht. Diese sind bisweilen nicht
immer verfügbar. Für eine exakte Immobilienbewertung durch das Ertragswertverfahren sollten Sie deswegen auf das
Wertgutachten eines staatlich geprüften Gutachters zurückgreifen.

Mit einem vereinfachten Ertragswertverfahren können Sie jedoch selbst einen ungefähren Anhaltspunkt für den Verkehrswert
Ihrer Immobilie berechnen[4]. Um die Berechnung in fünf Schritten zu erläutern, nehmen wir folgende Beispielimmobilie an:

  • Grundstücksfläche: 400 m²
  • Bodenrichtwert: 500 €/m²
  • Wohnfläche: 400 m²
  • Quadratmetermiete: 10 €
  • Bewirtschaftungskosten: 0,25 %
  • Liegenschaftszins: 5,00 %

1. Ermittlung des Bodenwerts

Als erstes ermitteln wir den Bodenwert des unbebauten Grundstücks. Liegen keine Preise von kürzlich verkauften
Grundstücken vor, können Sie auf die Bodenrichtwerte der lokalen Gutachterausschüsse zurückgreifen. Der Bodenrichtwert
wird mit der Fläche des Grundstückes multipliziert.

Bodenwert = Bodenrichtwert x Grundstücksfläche

Für die Ermittlung des Bodenwerts wird häufig das Vergleichswertverfahren angewendet (siehe unten). Dafür werden
die Preise von benachbarten Grundstücken herangezogen, soweit diese Grundstücke einander ähneln. Ihre Kaufpreise
sind in der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse anonymisiert erfasst.

Die Bodenrichtwerte werden von den Gutachterausschüssen mindestens alle zwei Jahre berechnet und in Bodenrichtwertkarten
veröffentlicht. Die Ausschüsse ziehen hierfür die Preise zuvor verkaufter Grundstücke heran und arbeiten für das konkret
betrachtete Grundstück mit Zu- und Abschlägen, ausgehend von Lage, Bepflanzung etc.[5].


Beispiel
Bei einem Bodenrichtwert von 500 €/m² und einer Grundstücksfläche von 400 m² ergibt sich
folgender Bodenwert:
500 €/m² × 400 m² = 200.000 €

2. Berechnung des Grundstücksreinertrags

In einem nächsten Schritt ermitteln wir die erwarteten Mieteinnahmen bzw. der Grundstücksreinertrag des Gebäudes. Für
die Berechnung des Grundstücksreinertrags müssen die Bewirtschaftungskosten von den zukünftigen Jahresrohmieten bzw. dem
Rohertrag abgezogen werden.

Grundstücksreinertrag = Jahresrohertrag – Bewirtschaftungskosten

Der Rohertrag bezeichnet die marktüblich erwartbaren Mieteinnahmen, wenn das Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet
wird[6]. Auf
zwölf Monate gerechnet handelt es sich um den Jahresrohertrag.

Jahresrohertrag = Wohnfläche × Quadratmetermiete × 12 Monate


Beispiel
Jahresrohertrag: (400 m² × 10 €/m²) × 12 = 48.000 €

Die Bewirtschaftungskosten sind jene Beträge, die bei der Bewirtschaftung des Gebäudes anfallen und die nicht auf den
Mieter umgelegt werden können. Gesetzlich sind die Bewirtschaftungskosten in folgende vier Posten
aufgeschlüsselt[7]:

  • Verwaltungskosten
  • Betriebskosten
  • Instandhaltungskosten
  • Mietausfallwagnis

Hier können Sie mit etwa 25 % der Nettomieteinnahmen rechnen.

Bewirtschaftungskosten = Jahresrohertrag x 0,25


Beispiel
Für unser Beispiel ergeben sich folgende Bewirtschaftungskosten:
48.000 € x 0,25 = 12.000 €

Um den Jahresreinertrag bzw. den Grundstücksreinertrag zu bestimmen, müssen wir die Bewirtschaftungskosten vom
Jahresrohertrag abziehen.


Beispiel
48.000 € – 12.000 € = 36.000 €

3. Berechnung des Gebäudereinertrags

Im nächsten Schritt ziehen wir für die Berechnung des Gebäudereinertrags die sogenannte Bodenwertverzinsung vom
Jahresreinertrag ab. Der Grund: Der Grundstücksreinertrag umfasst nicht nur den Ertrag des Gebäudes, sondern auch die
erwartete Wertsteigerung des unbebauten Grundstücks. Um eine doppelte Erfassung des Grundstückswerts zu umgehen, ziehen
wir die Bodenwertverzinsung ab.

Gebäudereinertrag = Grundstücksreinertrag – Bodenwertverzinsung

Nach dem Bewertungsgesetz ist für die Bodenwertverzinsung der Liegenschaftszinssatz grundlegend. Der
Liegenschaftszinssatz bezeichnet denjenigen Zinssatz, mit dem der Immobilienwert marktüblich im Durchschnitt verzinst
wird.

Der Liegenschaftszins ist hauptsächlich abhängig von Lage, Gebäudeart und Restnutzungsdauer. Ein hoher Liegenschaftszins
weist hierbei auf eine höhere Rendite, aber auch auf ein höheres Risiko hin.

Bodenwertverzinsung = Bodenwert x Liegenschaftszins

Den jeweiligen Liegenschaftszinssatz berechnen die örtlichen Gutachterausschüsse aus historischen Kaufpreisen und
Reinerträgen von Grundstücken. Oft sind diese Werte jedoch umstritten – oder überhaupt nicht vorhanden. Liegen keine
Daten vor, schreibt das Bewertungsgesetz bei Mietwohngrundstücken einen Liegenschaftszinssatz von 3,55 % und bei
Gewerbeimmobilien von 6,0 % vor[8].


Beispiel
In unserem Beispiel ergibt sich bei einem Bodenwert von 200.000 € und einem Liegenschaftszins
von 5
 % folgende Bodenwertverzinsung:
200.000 € x 0,05 = 10.000 €
Diesen Wert ziehen wir nun vom Jahresreinertrag ab.
Gebäudereinertrag: 36.000 € – 10.000 € = 26.000 €

4. Ermittlung des Gebäudeertragswerts mit Vervielfältiger

Anschließend multiplizieren wir den Gebäudereinertrag mit dem Vervielfältiger, um den Gebäudeertragswert zu
erhalten.

Gebäudeertragswert = Gebäudereinertrag x Vervielfältiger

Der Vervielfältiger setzt sich aus einer Formel zusammen, die sowohl Liegenschaftszins als auch Restnutzungsdauer
einbezieht. Der Wert ist umso höher, je länger die Immobilie genutzt werden kann.

Vervielfältiger  =  
(Liegenschaftszins
+ 1)[[Restnutzungsdauer]] – 1
/
(Liegenschaftszins + 1)[[Restnutzungsdauer]] ×
Liegenschaftszins

Ist das Gebäude noch bewohnbar, schreibt der Gesetzgeber eine Restnutzungsdauer von mindestens 30 % der sogenannten
wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer vor. Die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer ist im Bewertungsgesetz ebenfalls
rechtlich geregelt. Bei Mehrfamilienhäusern beträgt sie zum Beispiel 80 Jahre.


Beispiel
In unserem Beispiel ergibt sich bei einem Liegenschaftszins von 5 % und einer Restnutzungsdauer
von
45 Jahren der folgende Vervielfältiger.
Vervielfältiger:
(1,05[[45]]
– 1)
/
((1.05)[[45]] ×
0,05)
 = 17,77 ∼ 18
Der Gebäudereinertrag wird nun mit dem (in diesem Beispiel gerundeten) Vervielfältiger von 18
multipliziert.
Gebäudeertragswert: 26.000 € x 18 = 468.000 €
Bisweilen spricht man beim Gebäudeertragswert vom Barwert eines Objekts. Damit ist der Gegenwartswert der
künftig zu erwartenden Reinerträge gemeint – den wir mithilfe des Vervielfältigers (Barwertfaktor) errechnet
haben[9].

5. Berechnung des Ertragswerts

Im Anschluss rechnen wir Bodenwert und Gebäudeertragswert zusammen. In einem letzten Schritt müssen wir die sogenannten
Wertänderungen mit einbeziehen. Das sind weitere Umstände, die den Verkehrswert des Gebäudes mindern oder steigern
können, etwa ein guter Gebäudezustand, Bauschäden oder Mietbindungen.

Ertragswert = Gebäudeertragswert + Bodenwert +/– Wertänderungen


Beispiel
Bei angenommenen Bauschäden von 68.000 € ergibt sich in unserem Beispiel der folgende
Ertragswert.
468.000 € + 200.000 € – 68.000 € = 600.000 €

Ermittlung des Ertragswerts im Überblick

In dieser Aufstellung finden Sie die fünf Schritte zur Ermittlung des Ertragswerts mit den Zahlen der Beispielimmobilie
noch einmal im Überblick:

1. Bodenwert

Bodenrichtwert


× Grundstücksgröße

500 €/m²


× 400 m²
= 200.000 €
2. Grundstücksreinertrag

Jahresrohertrag


− Bewirtschaftungskosten

48.000 €


– 12.000 €
= 36.000 €
Jahresrohertrag (400 m² × 10 €/m²) × 12 = 48.000 €
Bewirtschaftungskosten 48.000 € × 0,25 = 12.000 €
3. Gebäudereinertrag

Grundstücksreinertrag


– Bodenwertverzinsung

36.000 €


− 10.000 €
= 26.000 €
Bodenwertverzinsung 200.000 € × 0,05 = 10.000 €
4. Gebäudeertragswert

Gebäudereinertrag


× Vervielfältiger

26.000 €


× 18
= 468.000 €
Vervielfältiger
(1,05[[45]]
– 1)
/
((1.05)[[45]] × 0,05)
  =
∼ 18
5. Ertragswert

Gebäudeertragswert


+ Bodenwert


+/– Wertänderungen (Baukosten)

468.000 €


+ 200.000 €


– 68.000 €
= 600.000

Wie hoch sind die Kosten eines Gutachtens im Ertragswertverfahrens?

Die Kosten für ein Wertgutachten variieren je nach Komplexität und Größe der Immobilie. Gutachten für kleine Mietshäuser
sind logischerweise einfacher und günstiger als für komplexe Bürogebäude.

Kurzgutachten für einen realistischen Verkaufspreis können bereits weniger als 100 € kosten, sie umfassen aber nur
ein
bis zwei Seiten. Langgutachten, die vor Gericht verwendet werden sollen, sind deutlich detaillierter. Hier können
bisweilen Kosten von mehr als 2.000 € fällig werden – oder noch mehr.

Welche Vorteile hat das Ertragswertverfahren?

Das Ertragswertverfahren hat zwei zentrale Vorteile. Eine Übersicht:

  1. Wertermittlung von Mietimmobilien: Das Ertragswertverfahren ist speziell für die Bewertung von fremdgenutzten
    Immobilien mit Mieteinnahmen entwickelt worden. Es bezieht die künftigen Mieteinnahmen mit ein und ist daher
    viel präziser als etwa das Vergleichswertverfahren.
  2. Hohe Aussagekraft: Basiert das Verfahren auf einer realistischen Datengrundlage (was die Hoffnung wäre), bietet
    es eine hohe Aussagekraft bei der Ermittlung des Verkehrswerts.

Welche Nachteile hat das Ertragswertverfahren?

Die Nachteile des Ertragswertverfahrens sind folgende:

  • Abhängigkeit vom Liegenschaftszins: Der Ertragswert ist stark von der Höhe des Liegenschaftszinses abhängig. Ein
    nicht zutreffender Liegenschaftszins kann den errechneten Ertragswert stark verzerren – besonders in ländlichen
    Gegenden ist das ein Problem.
  • Schwierige Prognose: Das Verfahren basiert auf Schätzwerten in Bezug auf zukünftige Mieten und
    Marktentwicklungen. Diese
    können zum Zeitpunkt der Bewertung nicht präzise vorhergesagt werden. Der
    eigentliche Vorteil (siehe oben) kann also schnell zum Nachteil werden, wenn die Werte ungenau sind oder
    Prognosen stark abweichen.

Welche Alternativen gibt es zum Ertragswertverfahren?

Neben dem Ertragswertverfahren gibt es noch zwei weitere standardisierte Methoden, um den Wert einer Immobilie zu
ermitteln. Ein Überblick:

  • Vergleichswertverfahren: Beim Vergleichswertverfahren ermitteln Sie
    den Wert einer Immobilie anhand ähnlicher
    Objekte, die bereits verkauft wurden. Der sogenannte Vergleichswert orientiert sich dabei relativ genau am
    Verkehrswert der Immobilie. Das Vergleichswertverfahren zeigt Ihnen daher einen realistischen Verkaufspreis.
  • Sachwertverfahren: Mit dem Sachwertverfahren können Sie bestimmen, wie
    viel es kosten würde, ein bereits
    errichtetes Gebäude heute noch einmal zu bauen. Der zentrale Wert des Sachwertverfahrens sind daher die
    Herstellungskosten für den fiktiven Neubau. Von diesen Kosten müssen Sie noch einen Betrag abziehen, der vom
    Alter abhängt. Anschließend rechnen Sie den Bodenwert des Grundstückes hinzu. Das Sachwertverfahren kommt dann
    zum Einsatz, wenn es nicht genügend Vergleichswerte gibt und das Ertragswertverfahren keinen Sinn ergibt.

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Quellenangaben

  1. Ritsch, S. (2022). Bewertung. In: Van Kann, J. (Hrsg.).
    Immobilientransaktionen: Praxishandbuch zur Strukturierung, Bewertung und Vertragsgestaltung. Berlin: Erich Schmidt
    Verlag. S. 286
  2. Bewertungsgesetz (BewG): § 184 Bewertung im Ertragswertverfahren
  3. Bewertungsgesetz
    (BewG): § 185 Ermittlung des Gebäudeertragswerts
  4. Geyer, H., Müller, J. F. (2021). Crashkurs Immobilienwirtschaft. Freiburg im Breisgau:
    Haufe. S. 85 f.
  5. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 14 Grundlagen der
    Bodenrichtwertermittlung
  6. Bewertungsgesetz
    (BewG): § 186 Rohertrag des Grundstücks
  7. Bewertungsgesetz
    (BewG): § 187 Bewirtschaftungskosten
  8. Bewertungsgesetz
    (BewG): § 188 Liegenschaftszinssatz
  9. Geyer, H., Müller, J. F. (2021). Crashkurs Immobilienwirtschaft. Freiburg im Breisgau: Haufe. S.
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