Von Mauritius Kloft, Saskia Reh – aktualisiert am 27.11.2024
Das Wichtigste in Kürze |
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Das Ertragswertverfahren ist eine der wichtigsten Methoden zur Immobilienbewertung – besonders dann, wenn es um
Objekte geht, die kontinuierliche Erträge generieren, wie etwa Mietshäuser oder Gewerbeimmobilien. Doch was steckt
wirklich hinter diesem Verfahren, und wie lässt sich der Ertragswert einer Immobilie präzise ermitteln? In diesem
Artikel erfahren Sie Schritt für Schritt, wie das Ertragswertverfahren funktioniert und wie Sie in nur fünf
Schritten den genauen Wert Ihrer Ertragsimmobilie berechnen können.
Das Ertragswertverfahren ist eine Methode zur Berechnung des Wertes eines Mietobjekts. Der Ertragswert stützt sich
maßgeblich auf die Höhe der künftigen Mieteinnahmen[1]. Deshalb wird es vor allem bei Mietimmobilien, Bürogebäuden oder
Gewerbeimmobilien eingesetzt. Zudem findet es Anwendung in der Wertermittlung bei Erbschaften, Scheidungen oder
Immobilienkäufen und -verkäufen, wenn die Rentabilität eine Rolle spielt und bei speziellen Immobilien, wie etwa Pflegeappartments.
Im Ertragswertverfahren werden der Wert eines Grundstücks (Bodenwert) und der Gebäudeertragswert berechnet, um den
Verkehrswert zu ermitteln. Dieser bezeichnet den erwarteten Marktpreis eines Objekts. Der Bodenwert entspricht dem
Preis des unbebauten Grundstücks[2], während der Gebäudeertragswert die erwarteten Einnahmen aus der Immobilie angibt[3].
Ertragswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert
Die Ertragswertberechnung ist komplex, da sie viele Faktoren wie Mieteinnahmen, Kosten und Marktentwicklungen
einbezieht. Oftmals fehlen genaue Daten, weshalb die Ergebnisse abweichen können. Für eine präzise Bewertung sollte
daher ein staatlich geprüfter Gutachter ein Wertgutachten erstellen, da dieser den Marktwert fundiert und unter
Berücksichtigung aller wichtigen Details ermitteln kann.
Mit einem vereinfachten Ertragswertverfahren können Sie jedoch selbst einen ungefähren Anhaltspunkt für den
Verkehrswert Ihrer Immobilie berechnen[4]. Um die Berechnung in fünf Schritten zu erläutern, nehmen wir folgende
Beispielimmobilie an:
Zuerst ermitteln wir den Bodenwert des unbebauten Grundstücks. Falls keine aktuellen Verkaufspreise vorliegen, kann
der Bodenrichtwert der örtlichen Gutachterausschüsse verwendet werden. Dieser Richtwert wird dann mit der
Grundstücksfläche multipliziert, um den Bodenwert zu ermitteln.
Bodenwert = Bodenrichtwert x Grundstücksfläche
Die Bodenrichtwerte werden mindestens alle zwei Jahre von den Gutachterausschüssen berechnet und in speziellen Karten
veröffentlicht. Diese sogenannten Bodenrichtwertkarten sind auf den Webseiten der örtlichen Gutachterausschüsse oder
der jeweiligen Landeseinrichtungen zugänglich. Es werden die Preise von kürzlich verkauften Grundstücken
berücksichtigt und Anpassungen vorgenommen, basierend auf Faktoren wie Lage oder Bepflanzung des Grundstücks. Diese
Werte dienen als Grundlage für die Berechnung des Bodenwerts[5].
Beispiel |
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Bei einem Bodenrichtwert von 500 €/m² und einer Grundstücksfläche von 400 m² ergibt sich folgender Bodenwert: |
500 €/m² × 400 m² = 200.000 € |
In einem nächsten Schritt ermitteln wir die erwarteten Mieteinnahmen bzw. den Grundstücksreinertrag des Gebäudes. Um
den Grundstücksreinertrag zu berechnen, müssen die Bewirtschaftungskosten von den zukünftigen Jahresrohmieten bzw.
dem Rohertrag abgezogen werden.
Grundstücksreinertrag = Jahresrohertrag – Bewirtschaftungskosten
Der Rohertrag bezeichnet die marktüblich erwartbaren Mieteinnahmen, wenn das Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet
wird[7]. Auf zwölf Monate gerechnet handelt es sich um den Jahresrohertrag.
Jahresrohertrag = Wohnfläche × Quadratmetermiete × 12 Monate
Beispiel |
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Jahresrohertrag: (400 m² × 10 €/m²) × 12 = 48.000 € |
Die Bewirtschaftungskosten sind jene Beträge, die bei der Bewirtschaftung des Gebäudes anfallen und die nicht auf den
Mieter umgelegt werden können. Gesetzlich sind die Bewirtschaftungskosten in folgende vier Posten aufgeschlüsselt[8]:
Hier können Sie mit etwa 25 % der Nettomieteinnahmen rechnen.
Bewirtschaftungskosten = Jahresrohertrag x 0,25
Beispiel |
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Für unser Beispiel ergeben sich folgende Bewirtschaftungskosten: |
48.000 € x 0,25 = 12.000 € |
Um den Jahresreinertrag bzw. den Grundstücksreinertrag zu bestimmen, müssen wir die Bewirtschaftungskosten vom
Jahresrohertrag abziehen.
Beispiel |
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48.000 € – 12.000 € = 36.000 € |
Im nächsten Schritt ziehen wir zur Berechnung des Gebäudereinertrags die Bodenwertverzinsung vom Jahresreinertrag ab.
Der Grund dafür ist, dass der Grundstücksreinertrag sowohl den Ertrag des Gebäudes als auch die Wertsteigerung des
unbebauten Grundstücks umfasst. Um den Grundstückswert nicht doppelt zu berücksichtigen, wird die
Bodenwertverzinsung abgezogen.
Gebäudereinertrag = Grundstücksreinertrag – Bodenwertverzinsung
Nach dem Bewertungsgesetz ist für die Bodenwertverzinsung der Liegenschaftszinssatz grundlegend. Der
Liegenschaftszinssatz bezeichnet denjenigen Zinssatz, mit dem der Immobilienwert marktüblich im Durchschnitt
verzinst wird.
Der Liegenschaftszins ist hauptsächlich abhängig von Lage, Gebäudeart und Restnutzungsdauer. Ein hoher
Liegenschaftszins weist hierbei auf eine höhere Rendite, aber auch auf ein höheres Risiko hin.
Bodenwertverzinsung = Bodenwert x Liegenschaftszins
Den jeweiligen Liegenschaftszinssatz berechnen die örtlichen Gutachterausschüsse aus historischen Kaufpreisen und
Reinerträgen von Grundstücken. Sie veröffentlichen diesen in den sogenannten Bodenrichtwertkarten oder
Marktberichten. Oft sind diese Werte jedoch umstritten – oder überhaupt nicht vorhanden. Liegen keine Daten vor,
schreibt das Bewertungsgesetz bei Mietwohngrundstücken einen Liegenschaftszinssatz von 5 % und bei Gewerbeimmobilien
von 6,5 % vor[9].
Beispiel |
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In unserem Beispiel ergibt sich bei einem Bodenwert von 200.000 € und einem Liegenschaftszins von 5 % folgende Bodenwertverzinsung: |
200.000 € x 0,05 = 10.000 € |
Diesen Wert ziehen wir nun vom Jahresreinertrag ab. |
Gebäudereinertrag: 36.000 € – 10.000 € = 26.000 € |
Anschließend multiplizieren wir den Gebäudereinertrag mit dem Vervielfältiger, um den Gebäudeertragswert zu erhalten.
Gebäudeertragswert = Gebäudereinertrag x Vervielfältiger
Der Vervielfältiger setzt sich aus einer Formel zusammen, die sowohl Liegenschaftszins als auch Restnutzungsdauer
einbezieht. Der Wert ist umso höher, je länger die Immobilie genutzt werden kann.
Vervielfältiger =
(Liegenschaftszins
+ 1)[[[Restnutzungsdauer]]] – 1
(Liegenschaftszins + 1)[[[Restnutzungsdauer]]] ×
Liegenschaftszins
Ist das Gebäude noch bewohnbar, schreibt der Gesetzgeber eine Restnutzungsdauer von mindestens 30 % der sogenannten
wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer vor. Die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer ist im Bewertungsgesetz ebenfalls
rechtlich geregelt. Bei Mehrfamilienhäusern beträgt sie zum Beispiel 70 Jahre.
Beispiel |
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In unserem Beispiel ergibt sich bei einem Liegenschaftszins von 5 % und einer Restnutzungsdauer von 45 Jahren der folgende Vervielfältiger. |
Vervielfältiger: (1,05[[[45]]] – 1) ((1.05)[[[45]]] × 0,05) = 17,77 ∼ 18 |
Der Gebäudereinertrag wird nun mit dem (in diesem Beispiel gerundeten) Vervielfältiger von 18 multipliziert. |
Gebäudeertragswert: 26.000 € x 18 = 468.000 € |
Anschließend rechnen wir Bodenwert und Gebäudeertragswert zusammen. In einem letzten Schritt müssen wir die
sogenannten Wertänderungen mit einbeziehen. Das sind weitere Umstände, die den Verkehrswert des Gebäudes mindern
oder steigern können, etwa ein guter Gebäudezustand, Bauschäden oder Mietbindungen.
Ertragswert = Gebäudeertragswert + Bodenwert +/– Wertänderungen
Beispiel |
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Bei angenommenen Bauschäden von 68.000 € ergibt sich in unserem Beispiel der folgende Ertragswert. |
468.000 € + 200.000 € – 68.000 € = 600.000 € |
Ermittlung des Ertragswerts im Überblick
In dieser Aufstellung finden Sie die fünf Schritte zur Ermittlung des Ertragswerts mit den Zahlen der
Beispielimmobilie noch einmal im Überblick:
1. Bodenwert | ||
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Bodenrichtwert × Grundstücksgröße |
500 €/m² × 400 m² |
= 200.000 € |
2. Grundstücksreinertrag | ||
Jahresrohertrag − Bewirtschaftungskosten |
48.000 € – 12.000 € |
= 36.000 € |
Jahresrohertrag | (400 m² × 10 €/m²) × 12 | = 48.000 € |
Bewirtschaftungskosten | 48.000 € × 0,25 | = 12.000 € |
3. Gebäudereinertrag | ||
Grundstücksreinertrag – Bodenwertverzinsung |
36.000 € − 10.000 € |
= 26.000 € |
Bodenwertverzinsung | 200.000 € × 0,05 | = 10.000 € |
4. Gebäudeertragswert | ||
Gebäudereinertrag × Vervielfältiger |
26.000 € × 18 |
= 468.000 € |
Vervielfältiger | (1,05[[[45]]] – 1) ((1.05)[[[45]]] × 0,05) = |
∼ 18 |
5. Ertragswert | ||
Gebäudeertragswert + Bodenwert +/– Wertänderungen (Baukosten) |
468.000 € + 200.000 € – 68.000 € |
= 600.000 |
Die Kosten für ein Wertgutachten im Ertragswertverfahren variieren je nach Komplexität und Größe der Immobilie.
Gutachten für kleine Mietshäuser sind mit weniger Aufwand verbunden und deshalb günstiger als etwa solche für
komplexe Bürogebäude.
Kurzgutachten für einen realistischen Verkaufspreis können bereits weniger als 100 € kosten, sie umfassen aber nur
ein bis zwei Seiten. Langgutachten, die vor Gericht Gültigkeit haben, sind deutlich detaillierter. Hier können
schnell Kosten von 2.000 € aufwärts fällig werden.
Das Ertragswertverfahren hat sowohl Vor- und Nachteile – eine Übersicht:
Vorteile
Nachteile
Neben dem Ertragswertverfahren gibt es noch zwei weitere standardisierte Methoden, um den Wert einer Immobilie zu
ermitteln. Ein Überblick:
Wie viel ist Ihr Grund und Boden
wert?
So
ermitteln Sie den Grundstückswert
Was sagen die Bodenrichtwerte aus?
Das
lesen Sie hier
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