Sachwertverfahren: Wann es nützlich sein kann

Von Mauritius Kloft – aktualisiert am 21.03.2024

Das Sachwertverfahren ist ein Verfahren zur Immobilienbewertung. Es eignet sich besonders für
Immobilien, bei denen es keine Vergleichsobjekte gibt.

Aber wieso das? Wir zeigen Ihnen, was das Sachwertverfahren genau ermittelt und wie Sie den Sachwert einer Immobilie in
drei Schritten schnell berechnen können.


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Was ist das Sachwertverfahren?

Das Sachwertverfahren ist eine von drei Möglichkeiten, den Gebäudewert standardisiert zu
berechnen
[1]. Mit
der Wertermittlung über das Sachwertverfahren können Sie bestimmen, wie viel es kosten würde, ein bestehendes
Gebäude
heute noch einmal zu bauen
.

Der zentrale Wert des Sachwertverfahrens sind daher die Herstellungskosten für den fiktiven
Neubau
[2]. Von diesen Kosten
wird je nach Alter des Hauses ein Betrag abgezogen, die sogenannte Alterswertminderung. Anschließend
wird der Bodenwert
des Grundstückes hinzugerechnet.

Nach einer Preisanpassung an den Immobilienmarkt durch den sogenannten Marktanpassungsfaktor erhalten
Sie den erwarteten
Marktpreis (Verkehrswert) der Immobilie. Wie das
Sachwertverfahren genau funktioniert, lesen Sie hier.

Wann kommt das Sachwertverfahren zum Einsatz?

Das Sachwertverfahren wird in der Praxis eher selten eingesetzt. Wenn möglich, wird auf das
Vergleichswert- oder das
Ertragswertverfahren zurückgegriffen, da diese Methoden einen Gebäudewert ermitteln, der näher am Marktgeschehen liegt.
Und der somit einem realistischeren Verkehrswert entspricht (siehe Abschnitt „Alternativen“).

Das Sachwertverfahren kommt immer dann zum Einsatz, wenn es an Vergleichswerten mangelt. Das kann etwa
der Fall sein,
wenn die ortsüblichen Mieten nicht ermittelt werden können oder keine vergleichbaren Objekte vorhanden sind. Sie können
es zudem anwenden, wenn Sie das Gebäude privat verkaufen, aber keine Rendite erzielen
wollen[3].

In der Praxis kommt das Sachwertverfahren daher oftmals bei öffentlichen Gebäuden (Schulen, Bahnhöfen) oder bei Ein-
oder Zweifamilienhäusern zum Einsatz, die Sie selbst nutzen. Das Ertragswertverfahren, das auf zukünftige Erträge setzt,
ist deswegen in diesem Fall nicht zielführend.

Das Sachwertverfahren im Detail – wie funktioniert es genau?

Wie man den Sachwert ermittelt, ist im Bewertungsgesetz (BewG) und der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV)
rechtlich festgelegt. Noch genauere Vorgaben gibt die Sachwertrichtlinie (SW-RL) vor. Wir zeigen Ihnen
die Grundzüge des Verfahrens. Um die Berechnung in drei Schritten anschaulich zu gestalten, nehmen wir
folgende
Beispielimmobilie an:

Beispielimmobilie
Regelherstellungskosten (RHK) 750 €/m²
Grundfläche 200 m²
Baukosten für Garage und Gartenhaus 15.000 €
Alter des Gebäudes 20 Jahre
Bodenrichtwert 300 €/m²

1. Berechnung des Gebäudesachwerts

Für den Gebäudesachwert berechnen wir zunächst die (durchschnittlichen)
Gebäudeherstellungskosten[4].
Das bedeutet, dass Sie von einem fiktiven
Neubau der bestehenden Immobilie ausgehen.

Um die Herstellungskosten zu ermitteln, greifen Experten üblicherweise auf die sogenannten
Regelherstellungskosten (RHK)
zurück. Hierbei handelt es sich um einen Quadratmeterpreis, der im Bewertungsgesetz geregelt ist[5].
Dieser bezieht
zahlreiche Faktoren wie Außenwände, Dach, Fenster, Fußboden und Heizung mit ein.

Die Regelherstellungskosten werden aus den Normalherstellungskosten (NHK) abgeleitet[6]. Die NHK geben – gestaffelt
nach verschiedenen Ausstattungen eines Gebäudes – die durchschnittlichen Baukosten pro Quadratmeter an. Die
derzeitigen Referenzwerte sind in der sogenannten NHK 2010[7] geregelt
und finden sich in der Sachwertrichtlinie.
Die Regelherstellungskosten geben im Vergleich zu den NHK einen realistischeren Wert an. Der Grund dafür ist,
dass sie Baunebenkosten und Umsatzsteuer berücksichtigen.

Je nach Gebäudestandard liegen die RHK zwischen etwa 500 bis 2.000 € pro Quadratmeter. Dieser Wert wird dann mit
der Grundfläche des Hauses multipliziert. Hin und wieder findet sich auch der sogenannte Raummeterpreis als Wertangabe.
Dieser gibt keinen Quadratmeter-, sondern einen Kubikmeterpreis an, der je Wertigkeit des Gebäudes von 200 bis
500 € pro Kubikmeter reicht.

Regelherstellungskosten × Bruttogrundfläche = Gebäudeherstellungskosten

750 €/m² × 200 m² = 150.000 €

Anschließend ziehen wir von den Herstellungskosten die Alterswertminderung ab[8]. Sie gelangen somit vom fiktiven Neubau
zum derzeitigen Zustand des Hauses und dessen Restnutzungsdauer.

Der Gesetzgeber geht bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen von einer Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren aus und
nimmt deswegen eine lineare Wertminderung von 1,25 % pro Jahr durch Abnutzung an (80 x 1,25 % = 100 %).
Bei 20 Jahren ergibt sich eine Wertminderung von 150.000 € × ((20 × 1,25) / 100)) = 37.500 €.

Gebäudeherstellungskosten – Alterswertminderung = vorläufiger Gebäudesachwert

150.000 € – 37.500 € = 112.500 €

Hinzu kommen in einem letzten Schritt noch die Herstellungskosten für bauliche Außenanlagen auf dem
Grundstück
[9], etwa
eine Garage oder ein Gartenhaus. Auch bei diesen Anlagen wird gegebenenfalls eine Alterswertminderung abgezogen.

vorläufiger Gebäudesachwert + bauliche Außenanlagen = Gebäudesachwert

112.500 € + 15.000 € = 127.500 €

Berechnung des Bodenwerts

Der Bodenwert wird meist mit dem Vergleichswertverfahren und somit anhand von Vergleichskaufpreisen
ermittelt[10]. Liegen
keine Vergleichspreise von ähnlichen Grundstücken vor, können Sie auf die Bodenrichtwerte der Gutachterausschüsse
zurückgreifen. Die Gutachterausschüsse berechnen die Bodenrichtwerte mindestens alle zwei Jahre neu und veröffentlichen
diese auf Bodenrichtwertkarten.

Bodenrichtwert × Bruttogrundfläche = Bodenwert

300 €/m² × 200 m² = 60.000 €

Vorläufiger Sachwert und Marktanpassung

Die Addition von Gebäudesachwert und Bodenwert ergibt den vorläufigen Sachwert.

Gebäudesachwert + Bodenwert = vorläufiger Sachwert

127.500 € + 60.000 € = 187.500 €

Beachten Sie: Meist entspricht der vorläufige Sachwert nicht dem Preis, den jemand für eine Immobilie zahlt. Der Grund:
Marktteilnehmer sind selten bereit, ein Gebäude zu diesem Preis zu kaufen bzw. verkaufen. Entscheidender ist das
aktuelle Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt.

In boomenden Metropolen gibt es eine höhere Nachfrage nach Immobilien als in strukturschwachen Regionen. Wie Sie
gesehen haben, hat die Marktsituation bis zu diesem Stand des Verfahrens aber keine Rolle gespielt.

Deshalb muss beim Verkauf einer Immobilie eine grobe Anpassung an die vorherrschenden Marktverhältnisse
hergestellt
werden. Dazu verwendet man im Sachwertverfahren der Marktanpassungsfaktor bzw.
Sachwertfaktor[11].

Diesen Faktor berechnen die lokalen Gutachterausschüsse. Werden im umliegenden Gebiet der Immobilie
Häuser für
durchschnittlich 110 % des vorläufigen Sachwerts verkauft, beträgt der Marktanpassungsfaktor 1,1.

vorläufiger Sachwert × Marktanpassungsfaktor = Sachwert

187.500 € × 1,1 = 206.250 €

Der Sachwert liegt folglich bei 206.250 €. Inwiefern dieser indes aussagekräftig ist, lässt sich nicht mit
Sicherheit sagen (siehe unten).

Diese Beispielrechnung stellt nur eine erste, grobe Einschätzung dar. Da für die Berechnung und
Beurteilung eine hohe Sachkenntnis und Erfahrung notwendig ist, sollten Sie für eine genaue
Immobilienbewertung einen entsprechenden Sachverständigen beauftragen.

Wie hoch sind die Kosten beim Sachwertverfahren?

Den Sachwert können Sie maximal grob selbst berechnen. In der Regel müssen Sie einen Sachverständigen
beauftragen, der
die Ermittlung für Sie übernimmt. Die Kosten für das Sachwertverfahren hängen derweil von verschiedenen Faktoren ab,
darunter der Art der Immobilie, deren Größe sowie der Komplexität des Baus. Für einfache Gebäude fallen in der Regel
Kosten von 2.000 bis 3.000 € an – für komplexe Objekte können es bisweilen deutlich mehr sein.

Im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung, bei der der Sachwert von Bedeutung ist, müssen Sie gar einen vereidigten
Sachverständiger bestellen. Das kann etwa für Erbrechtsverfahren oder bei Scheidungen greifen – und nochmals teurer
sein.

Welche Vor- und Nachteile hat das Sachwertverfahren?

Anbei finden Sie einen Überblick zu den Vor- und Nachteilen des Sachwertverfahrens:

Vorteile

  1. Bausubstanz: Das Verfahren ermöglicht eine genaue Bewertung der Bausubstanz der Immobilie.
    Besonders bei
    Renovierungen/Sanierungen kann das wichtig sein.
  2. Alternative: Insbesondere in ländlichen Gegenden, bei ungewöhnlichen oder industriellen bzw.
    öffentlich
    genutzten Immobilien ist das Sachwertverfahren oft die einzige praktikable Möglichkeit der Wertermittlung.

Nachteile

  1. Marktgeschehen: Das Verfahren orientiert sich nicht am aktuellen Marktgeschehen. Zwar gibt es
    den
    Marktanpassungsfaktor. Dennoch kann es zu (erheblichen) Abweichungen vom Marktwert kommen.
  2. Anwendbarkeit: Bei modernen Gebäuden – insbesondere energiesparenden Passivhäusern – fehlen oft
    die
    erforderlichen Daten zur Bewertung. Daher kann das Sachwertverfahren keine Anwendung finden.
  3. Kosten: Das Sachwertverfahren ist recht komplex. Daher müssen Sie auf die Expertise eines
    Gutachters
    zurückgreifen, was jedoch teuer sein kann (siehe oben).

Welche Alternativen zum Sachwertverfahren haben Sie?

Neben dem Sachwertverfahren gibt es in Deutschland zwei weitere standardisierte Verfahren zur Ermittlung des Wertes
einer Immobilie. Ein Überblick:

  • Vergleichswertverfahren: Beim Vergleichswertverfahren ermitteln
    Sachverständige den Wert einer Immobilie bzw.
    Grundstücks anhand ähnlicher Immobilien, die bereits verkauft wurden. Das Verfahren berechnet dazu den
    sogenannten Vergleichswert. Dieser orientiert sich relativ genau am Verkehrswert der Immobilie. Das
    Vergleichswertverfahren vermittelt Ihnen daher eine realistische Vorstellung des Kaufpreises – anders als das
    Sachwertverfahren.
  • Ertragswertverfahren: Das Ertragswertverfahren funktioniert anders:
    Hier wird der sogenannte Ertragswert einer
    Immobilie ermittelt. Dabei betrachten Experten die Mieteinnahmen wie Zinsen und rechnen sie bis zum Zeitpunkt
    hoch, zu dem das Objekt wertlos wird. Das Ertragswertverfahren ist entsprechend komplexer als das
    Vergleichswertverfahren.

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Quellenangaben

  1. Ritsch, S. (2022). Bewertung. In: Van Kann, J. (Hrsg.). Immobilientransaktionen:
    Praxishandbuch zur Strukturierung, Bewertung und Vertragsgestaltung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. S. 285
  2. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 35 Grundlagen des Sachwertverfahrens
  3. Ritsch, S. (2022).
    Bewertung. In: Van Kann, J. (Hrsg.). Immobilientransaktionen: Praxishandbuch zur Strukturierung, Bewertung und
    Vertragsgestaltung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. S. 287
  4. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 36 Vorläufiger Sachwert
    der baulichen
    Anlagen; durchschnittliche Herstellungskosten
  5. Bewertungsgesetz
    (BewG): § 190 Ermittlung des Gebäudesachwerts
  6. Bewertungsgesetz (BewG): § 259 Ermittlung des Gebäudesachwerts
  7. Bekanntmachung der Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts (Sachwertrichtlinie – SW-RL)
  8. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 38 Alterswertminderungsfaktor
  9. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 37 Vorläufiger Sachwert der baulichen
    Außenanlagen und sonstigen Anlagen
  10. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 40 Allgemeines zur Bodenwertermittlung
  11. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 21
    Liegenschaftszinssätze;
    Sachwertfaktoren