Vergleichswertverfahren Schritt für Schritt erklärt

Von Mauritius Kloft, Saskia Reh – aktualisiert am 01.11.2024

Das Wichtigste in Kürze
  1. Immobilienarten: Das Vergleichswertverfahren eignet sich in erster Linie
    für Wohnimmobilien wie Eigentumswohnungen und Ein- bis Zweifamilienhäuser.
  2. Grundprinzip: Das Vergleichswertverfahren ermittelt den Wert einer
    Immobilie anhand von Preisen ähnlicher Objekte, die kürzlich in der gleichen Region verkauft
    wurden.
  3. Datenbasis: Um zuverlässige Vergleichswerte zu erhalten, sollten umfassende
    Daten über vergleichbare Immobilien gesammelt werden. Dazu gehören Informationen über
    abgeschlossene Käufe und weitere relevante Marktdaten.
  4. Anpassungen: Bei der Anwendung des Verfahrens müssen Anpassungen
    vorgenommen werden, um Unterschiede in den Eigenschaften der Immobilien zu berücksichtigen,
    wie z.B. Größe, Zustand oder Ausstattung.
  5. Relevanz: Das Verfahren bietet einen realistischen Marktwert, da es sich
    auf tatsächliche Verkaufsdaten stützt.
  6. Einschränkungen: Die Genauigkeit des Vergleichswertverfahrens hängt von der
    Verfügbarkeit geeigneter Vergleichsobjekte ab. In ländlichen Gebieten oder bei speziellen
    Immobilien kann es schwierig sein, passende Vergleichswerte zu finden.

Das Vergleichswertverfahren ist eine Methode zur Immobilienbewertung. Im Vergleich zum Ertragswert- und
Sachwertverfahren ist es präziser – stößt in der Praxis jedoch auf Grenzen. Lesen Sie hier, wann das
Vergleichswertverfahren zum Einsatz kommt, wie es genau funktioniert und welche Vor- und Nachteile es hat.

Was ist das Vergleichswertverfahren?

Beim Vergleichswertverfahren wird der Verkehrswert einer Immobilie bzw. Grundstücks anhand ähnlicher verkaufter
Immobilien
ermittelt[1]. Der Verkehrswert bezeichnet den erwarteten Marktpreis der Immobilie. Das Verfahren vermittelt
Ihnen eine realistische Vorstellung des Kaufpreises und gilt daher als sehr zuverlässige Bewertungsmethode.

Das Vergleichswertverfahren teilen Experten noch einmal in zwei Methoden auf: dem direkten und dem indirekten
Verfahren. Ein direkter Vergleich – das sogenannte Vergleichspreisverfahren – ist nur selten möglich. Etwa wenn
zufällig eine baugleiche Wohnung im selben Haus vor Kurzem verkauft wurde oder das Reihenhaus nebenan den Eigentümer
gewechselt hat.

Im Regelfall werden nicht ganz baugleiche Objekte verglichen; der Verkauf des Vergleichsobjekts liegt in der Praxis
ebenso bereits länger zurück. Auf dem indirekten Vergleichswertverfahren – dem Vergleichsfaktorverfahren – liegt in
diesem Artikel der Fokus.

Wann kommt das Vergleichswertverfahren zum Einsatz?

Das Vergleichswertverfahren ist besonders nützlich, wenn es um ähnliche Grundstücke, Häuser oder Wohnungen geht. Es
wird häufig für Eigentumswohnungen, Reihenhäuser, Doppelhaushälften und ähnliche Siedlungshäuser verwendet. Wenn es
jedoch keine geeigneten Vergleichswerte gibt, wie bei freistehenden Einfamilienhäusern, ist es besser, das
Sachwertverfahren anzuwenden.

Beachten Sie: Der Marktpreis entspricht nicht dem Verkaufspreis. Selbst wenn Sie mithilfe des
Vergleichswertverfahrens im besten Fall eine realistische Einschätzung des Marktgeschehens erhalten.

Das Vergleichswertverfahren im Detail – so funktioniert es

Die Ermittlung des Vergleichswerts ist in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und dem
Bewertungsgesetz (BewG) rechtlich geregelt. Im Folgenden stellen wir es in Grundzügen vor:

Bebautes Grundstück

Laut den gesetzlichen Vorgaben muss das Vergleichswertverfahren für bebaute Grundstücke auf aktuellen
Vergleichspreisen basieren[2]. Um diesen Wert zu ermitteln, sollten Sie oder ein Sachverständiger Kontakt mit dem
örtlichen Gutachterausschuss für Grundstückswerte aufnehmen[3]. Diese Institution ist unabhängig und besteht aus
Fachleuten, die aus dem Landrats- oder dem Katasteramt und den Finanzbehörden kommen, sowie aus ehrenamtlichen
Experten.

Die Gutachterausschüsse erhalten gesetzlich alle abgeschlossenen Immobilienkaufverträge von den zuständigen Notaren.
Auf Basis dieser Verträge erstellen sie eine Kaufpreissammlung, in der die ermittelten Vergleichspreise anonymisiert
veröffentlicht werden. Sie können auch auf die Kaufpreissammlung des Finanzamtes zurückgreifen – sofern die
Kaufpreise der Objekte zu stark von dem zu bewertenden Objekt abweichen.

Unbebautes Grundstück

Für ein unbebautes Grundstück können Sie (bzw. der Sachverständige) ebenfalls auf die Vergleichspreise der
Gutachterausschüsse
zurückgreifen. Sind diese nicht aussagekräftig, ist es zudem erlaubt, Bodenrichtwerte zu nutzen[4].

Gut zu wissen: Der Bodenrichtwert ist normalerweise nicht beim Vergleichswertverfahren, sondern beim
Ertragswertverfahren üblich.

Korrekturfaktoren

Wie bereits erwähnt, stimmen die zu vergleichenden Grundstücke so gut wie nie zu 100 % miteinander überein. Deswegen
muss zur Korrektur mit Zu- und Abschlägen gerechnet werden. Bei den Korrekturfaktoren werden zahlreiche
wertbeeinflussende Merkmale, beziehungsweise Vergleichsfaktoren von der Lage und Größe des Grundstücks bis hin zur
Ausstattung der Immobilie berücksichtigt[5].

Je nach Merkmal (wie Größe oder Ausstattung) ist die Wertermittlung einfacher oder komplizierter. Vor allem mit Blick
auf die Bausubstanz und die Ausstattung ist die genaue Berechnung meist komplex.

Die Werte von Ihrem Objekt und Vergleichsobjekt müssen einigermaßen beieinander liegen[6]. Der Unterschied darf
nicht höher als 30 bis 35 % sein. Ansonsten ist es laut deutscher Rechtsprechung nicht mehr möglich, von
vergleichbaren Grundstücken zu sprechen.

Folgende Merkmale bzw. Vergleichsfaktoren werden bei Ab- und Zuschlägen für Gebäude und Grundstücke betrachtet:

  • Mikrolage und Makrolage
  • Größe der Immobilie bzw. des Grundstücks
  • Gebäudeart und Bauweise
  • Qualität der Ausstattung
  • Baujahr, Erhaltungszustand und Restnutzungsdauer
  • Bodenbeschaffenheit
  • Grundstückszuschnitt und Ausrichtung
  • Umwelteinflüsse
  • eventuelle (rechtliche) Nutzungsbeschränkungen (z.B. Ferien- oder Wochenendwohnungen)

Korrekturfaktoren und Vergleichsfaktoren unterscheiden sich maßgeblich:

  • Vergleichsfaktoren beziehen sich auf die Daten von vergleichbaren Immobilien, die zur
    Wertermittlung herangezogen werden.
  • Korrekturfaktoren hingegen sind Anpassungen, die vorgenommen werden, um Unterschiede
    zwischen den zu vergleichenden Immobilien auszugleichen, wie Lage, Zustand oder Ausstattung.

Beispielrechnung zur Berechnung des Vergleichswerts

Anbei finden Sie ein Beispiel zur groben Ermittlung des Vergleichswerts:

Einheit Reales Bewertungsobjekt Vergleichsobjekt Ab- und Zuschlag
(in Prozent)
Größe 90 m² 90 m²
Baujahr 2000 1990 plus 10 %
Lage gute Lage gute Lage
Etage Erdgeschoss Erdgeschoss
Zustand baujahrtypisch modernisiert minus 10 %
Vermietung vermietet vermietet
Kaufpreis pro m² 2.000 € 2.000 €
Absoluter Wert 180.000 € 180.000 €

Der Kaufpreis pro m² liegt bei beiden Objekten bei 2.000 € – beim realen Bewertungsobjekt wurde auf diesen Preis
aufgrund von Werten des Gutachterausschusses zum Vergleichsobjekt geschlossen. Sie sehen: Die Zu- und Abschläge
gleichen sich aus, sodass der Wert des Musterobjekts sowie der realen Wohnung gleich sind.

Anders sehe es zum Beispiel aus, wenn das reale Objekt ebenfalls modernisiert worden wäre. In der Praxis könnten Sie
nun schließen, die Immobilie für mindestens 180.000 € anzubieten – so viel wäre sie ungefähr wert.

Diese Beispielrechnung stellt nur eine erste, grobe Einschätzung dar. Da für die Berechnung und Beurteilung
dieser Faktoren eine hohe Sachkenntnis und Erfahrung notwendig ist, sollten Sie für eine genaue
Immobilienbewertung einen entsprechenden Sachverständigen engagieren.


Wie hoch sind die Kosten des Vergleichswertverfahrens?

In der Regel trägt der Eigentümer einer Immobilie die Kosten für ein Vergleichswertverfahren, um den Immobilienwert
zu bestimmen. Die Kosten hängen vom Umfang des Gutachtens und dem Immobilienwert ab.

Das Honorar eines Sachverständigen richtet sich nach den Honorartafeln der Verordnung über die Honorare für
Architektur- und Ingenieurleistungen (HOAI)
, ist jedoch nicht verbindlich. Das bedeutet, dass die in diesen Tafeln
angegebenen Honorare eine Orientierung bieten, aber die tatsächlichen Kosten auch variieren können.

Für ein Gutachten einer Immobilie im Wert von etwa 300.000 € können die Kosten zwischen 1.000 € und 1.300 € liegen.
Diese Bandbreite kann von verschiedenen Faktoren abhängen, wie der Komplexität des Gutachtens oder den individuellen
Vereinbarungen zwischen dem Sachverständigen und dem Auftraggeber.

Es ist wichtig zu beachten, dass einige Sachverständige möglicherweise auch von den Honorartafeln abweichen, um ihre
Dienstleistungen anzupassen oder zusätzliche Leistungen anzubieten. Daher ist es ratsam, im Vorfeld eine klare
Absprache über die Kosten zu treffen.

Ein Kurzgutachten ist zwar günstiger, jedoch nicht vor Gericht verwendbar. Bei Scheidungen, Erbstreitigkeiten
oder Zwangsversteigerungen wird ein umfassendes, gerichtlich anerkanntes Gutachten benötigt. In diesen
Fällen muss ein Gutachter öffentlich bestellt und vereidigt werden.

Welche Vor- und Nachteile hat das Vergleichswertverfahren?

Anbei finden Sie eine Übersicht zu den Vor- und Nachteilen des Vergleichswertverfahrens:

Vorteile Nachteile
Spiegelt aktuelle Marktpreise realistisch wider Wenig(er) tauglich bei fehlenden Vergleichspreisen
Nachvollziehbar und transparent durch reale Vergleichswerte Sehr ähnliche Grundstücke sind selten
Gut geeignet für standardisierte Immobilien (z.B. Wohnungen) Praktisch unmöglich, Wert außergewöhnlicher bzw. komplexer Immobilien zu ermitteln
Schneller und oft günstiger als andere Verfahren Fachliche Kompetenz bei genauen Berechnung nötig ⇒ Kosten beachten

Das Vergleichswertverfahren ist an sich eine relativ zuverlässige Methode, den Marktpreis einer Wohnimmobilie oder
eines Grundstücks zu ermitteln – sofern ähnliche Grundstücke und Gebäude vorhanden sind. Das ist jedoch eher selten.
Das Verfahren orientiert sich sehr nah am Verkehrswert der Immobilie. Eine ungefähre Einschätzung können Sie, wenn
entsprechende Daten vorliegen, auch selbst vornehmen. Bei fehlenden Vergleichsdaten ist das Vergleichswertverfahren
jedoch wenig tauglich.

Des Weiteren kann mit dem Verfahren der Wert von ungewöhnlichen Objekten nicht ermittelt werden. Damit sind
Immobilien gemeint, die in ihrer Art oder Nutzung von den gängigen Standardimmobilien abweichen, wie zum Beispiel
Gewerbeimmobilien, historische Gebäude oder individuell gestaltete Wohnformen. Nicht zuletzt hängt die Ermittlung
des Wertes zudem von der fachlichen Kompetenz bei der Berechnung ab. Hier müssen Sie also eventuell auf einen
kostenpflichtigen Gutachter zurückgreifen.

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Welche Alternativen zum Vergleichswertverfahren gibt es?

Neben dem Vergleichswertverfahren gibt es in Deutschland zwei weitere standardisierte Wertermittlungsverfahren. Ein
Überblick:

  • Ertragswertverfahren: Beim Ertragswertverfahren wird der Ertragswert bzw. Verkehrswert einer Immobilie oder
    eines Grundstücks ermittelt. Es wird etwa bei Mietimmobilien oder Gewerbeimmobilien angewandt. Dabei werden die
    Mieteinnahmen wie Zinsen betrachtet und bis zum Zeitpunkt hochgerechnet, zu dem das Objekt wertlos wird. Das
    Ertragswertverfahren ist komplexer als das Vergleichswertverfahren und erfordert eine genaue Kenntnis der
    Mieten.
  • Sachwertverfahren: Gibt es keine Vergleichsobjekte, können Sie auf das Sachwertverfahren zurückgreifen. Bei
    diesem Verfahren wird der Immobilienwert separat vom Bodenwert betrachtet. Mit der Wertermittlung über das
    Sachwertverfahren lässt sich bestimmen, wie viel es kosten würde, ein bestehendes Gebäude – etwa private Ein-
    oder Zweifamilienhäuser – heute noch einmal zu bauen. Der zentrale Wert des Sachwertverfahrens sind daher die
    Herstellungskosten für den fiktiven Neubau – gemindert um einen Altersfaktor. Auf das Sachwertverfahren wird
    heutzutage aber sehr selten zurückgegriffen, auch weil es nicht so genau ist wie Ertrags- oder
    Vergleichswertverfahren.

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Quellenangaben

  1. Ritsch, S. (2022). Bewertung. In: Van Kann, J. (Hrsg.). Immobilientransaktionen: Praxishandbuch zur Strukturierung, Bewertung und Vertragsgestaltung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. S. 285 f.
  2. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 24 Grundlagen des Vergleichswertverfahrens
  3. Bewertungsgesetz (BewG) § 183 Bewertung im Vergleichswertverfahren
  4. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 26 Objektspezifisch angepasster Vergleichsfaktor; objektspezifisch angepasster Bodenrichtwert
  5. Bewertungsgesetz (BewG) § 183 Bewertung im Vergleichswertverfahren
  6. Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): § 25 Vergleichspreise