Von Mauritius Kloft – aktualisiert am 18.04.2023
54.000 Privatanleger, 3,5 Mrd. € und ein gigantisches Schneeballsystem: Was nach Stoff für einen Kino-Thriller
klingt,
ist einer der größten Wirtschaftsskandale Deutschlands[1]. 2018 musste die P&R-Gruppe Insolvenz anmelden. Der Konzern, der
sich auf das Container-Investment spezialisiert hatte, brach zusammen. Seitdem versuchen Dutzende Anwälte, noch Geld für
die geschädigten Anlegerinnen und Anleger zu bekommen.
Zugegeben: In so schlimmes Fahrwasser müssen Investments in See- bzw. Schiffscontainer nicht immer
kommen. Und doch gilt
der P&R-Skandal als mahnendes Beispiel für diese Kapitalanlagen. In folgendem Beitrag erklären wir Ihnen, wie
Container-Investments funktionieren, welche Risiken schlummern – und wie die Chancen für geprellte P&R-Anleger stehen.
Container-Investments funktionieren ähnlich wie Schiffsbeteiligungen, nur dass Sie als Anlegerin
oder Anleger anstelle
von Schiffsanteilen Überseecontainer erwerben. Nach dem Erwerb erhalten Sie Einnahmen aus der
Vermietung des Containers
an Reedereien und später aus dem Weiterverkauf des Seecontainers. Container-Investments haben eine mittlere Laufzeit von
zwei bis fünf Jahren, die aus der Lebensdauer des Containers resultiert. Reedereien profitieren wiederum von den
Investoren, da
sie weniger Kapital binden müssen. Containerbeteiligungen zählen zu den alternativen Investments, weil Sie hier in
Sachwerte investieren, analog zu Flugzeugbeteiligungen. Anders als bei Immobilien-Investments gehen Sie jedoch
deutlich höhere Risiken ein.
Die Rendite des Container-Investments soll sich aus zwei Faktoren ergeben: Zum einen aus den
vertraglich zugesicherten
Mieteinnahmen, die mit der Nutzung des Containers durch Reedereien generiert werden – also die Zahlung eines Mietzinses.
Zum anderen aus seinem Weiterverkauf nach Ablauf der Laufzeit. Sie sollen letztlich von der Entwicklung des Welthandels
profitieren[2].
Entwicklung der Kapazitäten von Containerschiffen im Welthandel zwischen 2013 und 2022
Der Bedarf an Containern ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Es werden immer mehr Güter auf dem Seeweg transportiert, was nicht zuletzt an der standardisierten
Containerschifffahrt
liegt. Folgende Grafik zeigt das eindrücklich:
Investmentfirmen und Emissionshäuser locken daher mit hohen Renditen, die beim Investment in Container winken.
Entsprechend hoch sind auch die Risiken eines Verlustes.
Sie haben zwei Möglichkeiten, um in Seecontainer zu investieren: entweder in Form eines
Direktinvestments oder als
Anteilseigner an einem Containerfonds. Ein Überblick:
Beim Container-Direktinvestment kaufen Sie als Anlegerin oder Anleger einen oder mehrere Container, deren rechtlicher
Eigentümer Sie werden. Der wirtschaftliche Eigentümer bleibt der Anbieter, von dem Sie den Container
erworben haben. Sie
sind zwar Eigentümer des Containers, um dessen Vermietung, Wartung und Wiederverkauf kümmert sich jedoch das
Investmentunternehmen.
Oft kaufen die Anbieter den Container nach Ablauf der Laufzeit selbst zurück. Dabei gibt es zwei Arten von
Container-Direktinvestments: Entweder der Anbieter garantiert Ihnen beim Rückkauf des Containers einen
festen
Rückkaufpreis oder er unterbreitet lediglich ein nicht bindendes Rücknahmeangebot.
Neben einem Direktinvestment in Seecontainer haben Sie die Möglichkeit, in geschlossene Containerfonds zu investieren.
So erwerben Sie gemeinsam mit anderen Anlegern Anteile an mehreren Containern. So werden die Risiken zwar breiter
gestreut, doch bei Containerfonds handelt es sich immer noch um eine spekulative Kapitalanlage.
Denn sie sind als geschlossene Fonds konstruiert. Das bedeutet,
Sie haben im Regelfall keine Möglichkeit, vor der
vereinbarten Laufzeit aus dem Investment auszusteigen. Außerdem werden Sie bei Containerfonds zu
Mitunternehmern – Sie
tragen also die wirtschaftlichen Risiken und haften im Zweifelsfall mit Ihrem eingesetzten Kapital. Meist gibt es zudem
eine Mindestanlagesumme, die bei 5.000 € oder mehr liegt.
Art des Container-Investments entscheidend für Ihr Risiko
Ob Sie in Form eines Direktinvestments oder als geschlossenen Fonds in Container investieren, hat unterschiedliche
Folgen für Sie als Anlegerin oder Anleger. „Bei einem Direktinvestment ist es sehr umstritten, wie die Situation der
Eigentumsrechte genau aussieht“, erklärt Christopher Kress, Fachanwalt für Kapitalmarktrecht. „Vom
Prinzip ist es zwar
‚Ihr‘ Container. Es ist aber fraglich, ob Sie etwa auch für den Container haften oder Hafengebühr
bezahlen müssen.“ Hier
könnten sich komplizierte Fragestellungen für die Anlegerinnen und Anleger ergeben.
Die Eigentumssituation beim Container-Direktinvestment ist sehr umstritten.
Bei einem geschlossenen Fonds sehe das anders aus, so Kress. „Hier werden Sie nur indirekt an einer
Vielzahl von
Containern beteiligt – als Gesellschafter einer Fondsgesellschaft. Juristisch macht das einen großen Unterschied, weil
sie etwas ‚weiter weg‘ sind. Sie müssen sich bei einem Containerfonds aber mehr auf das Fondsmanagement verlassen“,
erklärt der Fachanwalt.
Container-Investments sind sehr riskante Anlagen. Folgende Risiken sollten Sie kennen:
Marktrisiko
Container-Investments sind eng mit der aktuellen Wirtschaftslage verknüpft. Steigt die globale Nachfrage
nach Waren, steigt ebenfalls die Nachfrage nach Containern. Bei einem Überangebot an Schiffscontainern etwa
infolge einer Rezession fallen die Preise – entsprechend steigt für Sie die Wahrscheinlichkeit eines
Verlusts.
Containerrisiko
Container sind keine alltägliche Anlage. Vielmehr kennen die meisten Anleger „ihre“ Container nur von Fotos,
im echten Leben gesehen haben sie diese noch nicht – auch wenn sie ein Inhaberzertifikat des
Containeranbieters erhalten haben. Bei Container-Investments können die Investitionsobjekte über die ganze
Welt verteilt sein. Es ist kaum herauszufinden, wo sich ein Container aktuell befindet. Dazu kommt: Ein
Container ist ein Gebrauchsgegenstand, der mit der Nutzungsdauer an Wert verliert. Das sollten Sie ebenfalls
bedenken, wenn Sie sich für ein Container-Investment interessieren.
Kostenrisiko
Wie teuer Container verkauft werden können, hängt etwa auch mit den Stahlpreisen zusammen. Bei stark
steigenden Stahlpreisen ist es möglich, dass ein geschlossener Containerfonds an seine finanziellen Grenzen
kommt.
Währungsrisiko
Oft werden Container in US-Dollar gehandelt oder vermietet. Das bedeutet, Sie müssen stets die
Währungsschwankungen zwischen US-Dollar und Euro bedenken. Das Währungsrisiko sollten Sie daher nicht
unterschätzen.
Eigentümerrisiko
Ihr Risiko hängt auch von der konkreten Eigentumssituation ab – je nachdem, ob Sie in Form eines
Direktinvestments oder eines geschlossenen Fonds in Container investieren.
Als Magellan 2016 Insolvenz anmeldete, betraf das circa 9.000 Anlegerinnen und Anleger, die Container-Direktinvestments
getätigt hatten. Es war zu Zahlungsausfällen durch Reedereien gekommen, sodass die regelmäßigen Mietzahlungen, mit denen
Magellan und die Investoren fest gerechnet hatten, ausblieben. Zudem hatte Magellan Rückkaufpreise für Container
versprochen, die über dem Marktwert lagen.
Gut für die Anlegerinnen und Anleger war, dass sie die rechtlichen Eigentümer der Container waren und diese so nicht in
die Insolvenzmasse von Magellan übergingen. Schlecht war hingegen, dass die Container über die ganze Welt verteilt waren
und es Einzelpersonen nicht ohne weiteres möglich ist, Container an Reedereien zu vermieten, geschweige denn zu
überführen und weiterzuverkaufen.
2017, ein Jahr nach der Pleite, kaufte BUSS die Container der Anleger auf, um sie in ihre Fonds zu überführen. So blieb
ein Totalausfall der Investitionen aus – die erwarteten Renditen erhielten die Anlegerinnen und Anleger jedoch bei
Weitem nicht. Hinzu kommt, dass BUSS ausschließlich Investoren auszahlte, deren Container ermittelt und gekauft werden
konnten. Einzelne Container waren verschwunden und diejenigen, die das Recht an einem solchen besaßen, hatten das Pech,
völlig leer auszugehen.
Im Jahr 2018 kam es zu einer weiteren Pleite: Der bisher größte Anbieter für Container-Investments, P&R, meldete
Insolvenz an. Insgesamt sind 54.000 Anlegerinnen und Anleger von der Insolvenz betroffen. Bei P&R liegt ein
Milliardenbetrug vor: Rund eine Million der durch P&R verkauften Container existieren schlichtweg nicht.
Die Staatsanwaltschaft München hat ein Ermittlungsverfahren gegen den P&R-Firmengründer mit dem Vorwurf des
gewerbsmäßigen Betrugs und der Steuerhinterziehung eingeleitet. Zu einer Anklage kam es nicht, da er Ende 2019 verstarb.
So können geschädigte P&R-Anleger Schadensersatz erhalten
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten für geschädigte Anlegerinnen und Anleger. „Zum einen können Sie den Klageweg
gehen und Schadensersatz verlangen“, so Fachanwalt Kress, der mit seinen Kolleginnen und Kollegen mehrere Hundert
P&R-Investoren vertritt. Sie könnten folglich den Anlageberater oder die Bank verklagen. Die Grundlage dafür sei aktuell
jedoch rechtlich umstritten.
„Es gibt noch kein höchstrichterliches Urteil zu P&R“, also durch den Bundesgerichtshof (BGH). „Viele Gerichte stellen
sich zwar auf die Anlegerseite und argumentieren, dass Anlageberater zu wenig über die Risiken aufgeklärt haben –
allerdings nicht alle. Hier bleibt eine BGH-Entscheidung abzuwarten.“ Doch, so Kress: „Viele Fälle werden durch einen
Vergleich beendet, weil Banken einen Reputationsverlust fürchten.“ Anleger hätten folglich gute Chancen, einen Teil
ihres eingesetzten Kapitals wieder zu erlangen.
Neben dem Klageweg könnten Investoren auf Geld aus dem Insolvenzverfahren hoffen, so Kress. „Insolvenzverwalter Michael
Jaffé kratzt aktuell die Gelder zusammen. Ich gehe davon aus, dass die Anleger immerhin 30 % des Kapitals
zurückerhalten.“
Über den Experten
Christopher Kress ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner der
Esslinger
Kanzlei
Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann , einer der größten Kanzleien für
Anlegerschutz in Deutschland. Zu seinen Fachgebieten zählen unter
anderem geschlossene Beteiligungen – in dem Zuge hat er viele Prozesse gegen Banken, Anlageberater
und Fondsinitiatoren gewonnen. Seine Kollegen und er vertreten zudem Hunderte Anlegerinnen und
Anleger im Rahmen der Wirecard-Insolvenz oder des Dieselskandals. Kress studierte
Rechtswissenschaften
sowie forensische Informatik und war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der juristischen Fakultät der
Universität Tübingen.
Ob Sie Anspruch auf Schadensersatz haben, kommt auf den konkreten Fall an – für Infos für geschädigte P&R-Anleger
schauen Sie im Abschnitt oben nach. Grundsätzlich gilt: Sollten Sie Ihr Investment auf Basis fehlender Informationen
oder einer falschen Beratung getroffen haben, stehen die Chancen für Sie gut. Ein Überblick:
Container-Direktinvestment
Beim direkten Investment in Seecontainer haben Sie Anspruch auf Schadensersatz, wenn Sie nicht oder nur unzureichend
über die Risiken der Kapitalanlage aufgeklärt wurden (siehe oben). Viele Investoren haben zum Beispiel ihr Geld in
Container der P&R-Gruppe gesteckt, weil sie ihnen als sichere Anlage für die Altersvorsorge angepriesen worden sind.
Container-Investments sind jedoch sehr risikoreich – und eignen sich keineswegs für die Altersvorsorge. So müssen
Berater transparent und explizit über ein mögliches Totalverlustrisiko informieren, das Sie mit einem
Container-Investment eingehen.
Bei Container-Investments muss ein Anlageberater Sie etwa darüber informiert haben, dass Sie persönlich für Stand- und
Hafengebühren haften, sofern die Leasinggesellschaft sie nicht zahlt. Die Eigentumsverhältnisse bei
Container-Investments sind zudem kompliziert (siehe oben), was ein Anlageberater Ihnen erklären muss.
Containerfonds
Auch bei Containerfonds gehen Sie das potenzielle Risiko eines Totalverlustes ein. Darüber muss ein Anlageberater Sie
informieren. Ihr Anlageberater oder Ihre Bank müssen Sie außerdem über sogenannte Kick-Back-Zahlungen in Kenntnis
setzen. Das sind Provisionszahlungen, die er von einem Emissionshaus für die Vermittlung der Kapitalanlage erhält. Haben
Sie keine Informationen über die Rückvergütungsgebühren erhalten, können Sie Schadensersatz von Ihrem Anlageberater
verlangen.
Sie können zudem das Emissionshaus auf Schadensersatz verklagen, zumindest, wenn Sie nachweisen können, dass der
Verkaufsprospekt fehlerhaft ist. Eine solche Prospekthaftung ist jedoch nochmals schwieriger als eine Beraterhaftung.
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