Von Mauritius Kloft – aktualisiert am 12.07.2023
Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben 20.000 € in einen geschlossenen Immobilienfonds gesteckt,
weil der Anlageberater Ihrer Hausbank Sie mit irren Renditen im zweistelligen Bereich
gelockt hat. Und nun gerät dieser Fonds in Schieflage. So erging es Tausenden Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern, die
mit geschlossenen Immobilienfonds viel Geld verloren haben. Und immer noch investieren viele Menschen ihre Ersparnisse
in diese riskante Anlage.
In Sonderfällen haben Sie die Möglichkeit einer Rückabwicklung oder Kündigung Ihrer Beteiligung. Im
Folgenden erklären wir, welche Bedingungen dafür greifen müssen – und was Sie beim Ausstieg aus geschlossenen
Immobilienfonds beachten sollten.
Ihren Anteil an einem geschlossenen Fonds verkaufen? So gelingt es Ihnen!
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Bei geschlossenen Immobilienfonds steckt die Besonderheit bereits im Namen: Denn Sie als Anlegerin oder Anleger haben
normalerweise keine Möglichkeit, Ihren Fondsanteil vor Laufzeitende loszuwerden. Der Fonds ist
geschlossen[1]. Eine ordentliche Kündigung ist meist erst nach zehn Jahren möglich, wenn gesetzliche Ansprüche auf
Schadensersatz bereits verjährt sind (siehe unten).
Doch auch beim Investment in geschlossene Immobilienfonds haben Sie die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Dafür müssten Anleger indes nachweisen, dass sie bei der Geldanlage in geschlossene Fonds falsch beraten worden sind, so
Christopher Kress, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Das bedeutet, der Anlagevermittler hat Sie nicht ausreichend über das Risiko eines Totalverlustes, die Laufzeiten, die
kaum vorhandene Liquidität oder die hohen Kosten für den Kauf des Fondsanteils informiert. Auch ein fehlerhafter
Verkaufsprospekt des Immobilienfonds kann ein außerordentlicher Kündigungsgrund sein.
In einigen Fällen kann eine Härtefallklausel greifen, unter der Sie früher kündigen können. Zu den
Härtefällen zählen
etwa Arbeitslosigkeit, Krankheit oder eine plötzliche Pflegebedürftigkeit. Es kann ebenso ein
Sonderkündigungsrecht
vereinbart werden. Das müsste dann im Vertrag zwischen Ihnen und der Fondsgesellschaft festgeschrieben sein.
Kündigung geht mit hohen Verlusten einher
Doch oft ergibt eine Kündigung eines Fondsanteils wenig Sinn. Denn Sie erhalten nicht die gesamte Beteiligung zurück,
sondern nur ein sogenanntes Abfindungsguthaben. Das entsteht auf Basis der Auseinandersetzungsbilanz,
die etwa den
aktuellen Wert der Immobilie abbildet – und fällt bisweilen sehr gering aus.
Auch Jurist Kress sieht die Nachteile dieser Ausstiegsmöglichkeit. „Häufig haben Anleger eine
Kündigungsfrist von einem
halben Jahr. In dieser Zeit kann viel passieren“, so der Fachanwalt. „Ohnehin ist das Gesellschaftskonto je nach
Informationspolitik des Fonds eine Art Black Box für Investoren. Sie können kaum abschätzen, wie hoch das
Abfindungsguthaben letztlich ausfällt.“
Gut möglich also, dass Sie sich nur mit hohem Verlust von Ihrer Fondsbeteiligung trennen können.
Ohnehin dürfen die Fondsgesellschaften die Auszahlung des Fondsguthabens stunden oder in Jahresraten auszahlen, wenn
ihre Liquidität nicht ausreichen sollte.
Über den Experten
Christopher Kress ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner der
Esslinger
Kanzlei
Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann , einer der größten Kanzleien für
Anlegerschutz in Deutschland. Zu seinen Fachgebieten zählen unter
anderem geschlossene Beteiligungen – in dem Zuge hat er viele Prozesse gegen Banken, Anlageberater
und Fondsinitiatoren gewonnen. Seine Kollegen und er vertreten zudem Hunderte Anlegerinnen und
Anleger im Rahmen der Wirecard-Insolvenz oder des Dieselskandals. Kress studierte
Rechtswissenschaften
sowie forensische Informatik und war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der juristischen Fakultät der
Universität Tübingen.
Statt einer Kündigung ist es auch möglich, Ihren Fondsvertrag zu widerrufen, erklärt Anwalt Kress. „Das
kann besonders
sinnvoll sein, wenn Anleger mit Hilfe eines Ratensparmodells in den Fonds investieren“, so Kress. „Für einen Widerruf
müssen Anleger nachweisen, dass Formalien in der Widerrufsbelehrung falsch sind.“
Allerdings führe ein Widerruf nicht zu einer Rückabwicklung des Fonds, so Kress. „Doch viele Kunden
sind froh, wenn sie
wenigstens nicht mehr in den Fonds einzahlen müssen.“
Unter bestimmten Bedingungen können Sie einen Fondsanteil vor Laufzeitende an die Kapitalverwaltungsgesellschaft
zurückgeben. Auch Anwalt Kress hält das für sinnvoll. „Bei einer kompletten Rückabwicklung werden Investoren so
gestellt, als ob sie eine Anlage nie gezeichnet hätten“, sagt Kress. „Das ist der Königsweg für den Ausstieg aus einem
geschlossenen Fonds.“
Entscheidend ist hier, dass Sie nachweisen können, falsch informiert oder beraten worden zu sein. Auf der Basis können
Sie Schadensersatz von der Anlageberatung oder der Gesellschaft fordern, wenn der Fonds in Schieflage gerät. Eine
Rückabwicklung ist aber nur maximal zehn Jahre nach Zeichnung des Fonds möglich, danach ist der Anspruch verjährt.
Die Rückabwicklung eines geschlossenen Fonds ist nicht einfach – und nur unter einer der folgenden Bedingungen möglich:
Prospektfehler
Der Verkaufsprospekt eines geschlossenen Immobilienfonds enthält Angaben zu den Kosten, der
Anlagestrategie des Fonds, den Anlagezielen sowie rechtliche Hinweise. Für den Verkaufsprospekt
verantwortlich ist die Emittentin des Fonds, die KVG. Sollten Sie aufgrund eines inhaltlichen Fehlers im
Prospekt investiertes Geld verloren haben, können Sie Schadensersatz von der Fondsgesellschaft verlangen.
Der Fehler muss dabei nicht absichtlich passiert sein – eine unachtsame Formulierung reicht aus. Allein: Den
Nachweis über einen Fehler im Verkaufsprospekt zu erbringen, ist nicht einfach.
Falsche Beratung
Laut dem Bundesgerichtshof (BGH) muss die Beratung „anlegergerecht“ sein (Aktenzeichen: III ZR 389/12[4]). Das
bedeutet, der Berater muss die wirtschaftliche Situation des Kunden mit einbeziehen sowie
das Anlageziel, die Risikobereitschaft und den Wissensstand klären. In der Praxis heißt das
auch, dass der Berater Ihnen im Zweifelsfall von der Anlageform abraten muss. Daneben muss in der Beratung
das Risiko des Investments angesprochen werden. Überschreiten die sogenannten Weichkosten
die Schwelle von 25 % der Anlagesumme, muss der Berater Sie über die außerordentliche Höhe der
Aufwendungen und damit verbundene Risiken aufklären. Weichkosten sind alle Gebühren, die für das
Fondsmanagement oder das Marketing des Fonds anfallen und Ihre Rendite deutlich senken können. Wenn Sie beim
Erwerb von falschen oder unvollständigen Informationen ausgegangen sind, können Sie den Fondsanteil
zurückgeben und ggf. Schadensersatz verlangen.
Provisionen
Ihr Anlageberater muss Sie unaufgefordert über mögliche Provisionen informieren, die er von
der Fondsgesellschaft für die Vermittlung eines Fonds erhält. In der Fachsprache nennt man diese Provisionen
Kick-Back-Zahlungen. Der Hintergrund ist hier, dass der Anlageberater eigentlich Ihnen als Kunde
verpflichtet ist – und kein Interessenkonflikt entstehen soll. Informiert der
Anlagevermittler Sie nicht über die Provisionen, können Sie den Fonds rückabwickeln.
Prognostizierte Ausschüttungen
Geschlossene Immobilienfonds werben vielfach mit hohen Ausschüttungsquoten in der Zukunft.
Allerdings handelt es sich dabei oft nicht nur um Gewinne des Fonds, sondern auch um die Einzahlungen von
Ihnen, den Kunden. Daher können Teile dieser Ausschüttungen bei einer Insolvenz des Fonds zurückgefordert
werden. Über diesen Fallstrick muss Ihr Anlageberater Sie aufklären.
Sollten Sie den Anteil an einem geschlossenen Fonds zurückgeben wollen, wenden Sie sich am besten an die
Verbraucherzentrale, eine unabhängige Beratung oder einen Fachanwalt für Kapitalmarktrecht. Sie sollten sich in
jedem Fall überlegen, inwiefern es Sinn ergibt und für Sie lohnen kann.
Fachanwalt Kress schätzt die Chancen für geschädigte Investoren jedenfalls als hoch ein. „Berater müssen umfangreich
über geschlossene Fonds aufklären. Die Gerichte urteilen hier sehr streng – im Sinne der Investoren“, so Kress.
„Zudem gilt der Vorrang des gesprochenen Wortes. Hat ein Berater im Zuge eines Vieraugengesprächs von einer
geschlossenen Beteiligung als ‚bombensichere Anlage‘ gesprochen und das Totalverlustrisiko heruntergespielt, kann
ein Anleger auf der Basis Schadensersatz verlangen.“ Viele Verfahren endeten auch mit einem stillschweigenden
Vergleich, so Kress. „Selbst das kann für Anleger eine Möglichkeit sein, einen Großteil des verlorenen Kapitals
zurückzuerlangen.“
Ob Rückgabe oder Kündigung – beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Eine Übersicht:
Rückabwicklung | Kündigung | |
---|---|---|
Verjährung | Verjährungsfrist von zehn Jahren nach Zeichnung | keine Verjährungsfrist |
Höhe des Betrags | Rückgabe des gesamten eingesetzten Kapitals, Schadensersatz möglich | lediglich Abfindungsguthaben wird ausgezahlt |
Haftungspflichten | bestehen nicht weiter | können je nach Fondsart und -Alter weiter bestehen |
Bedingungen | bei Prospektfehler, falscher Anlageberatung, falschen Informationen bzgl. Provisionen sowie den prognostizierten Ausschüttungen eines Fonds |
ggf. Härtefallklausel oder Sonderkündigungsrecht; außerordentliche Kündigung bei Prospektfehler oder falscher Beratung |
Kosten | im Regelfall rechtliche Beratung nötig | kostenlos, evtl. Beratung durch Fachanwalt nötig |
Eine Alternative zur Rückgabe oder Kündigung ist ein Verkauf des Fondsanteils auf dem Zweitmarkt.
Das hat einige Nachteile für Sie: Bisweilen müssen Sie Ihren Fondsanteil mit großem Abschlag
verkaufen, um ihn überhaupt loszuwerden. Ein Verkauf über den Zweitmarkt ist nur möglich, sofern Sie noch
nicht gekündigt haben.
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