Von Mauritius Kloft – aktualisiert am 10.04.2024
Hinter dem Begriff Derivate verbergen sich eine Vielzahl von Finanzinstrumenten – und es werden laufend
neue entwickelt.
Früher nutzten Finanzinstitute und institutionelle Anleger Derivate vor allem, um andere Geldanlagen abzusichern.
Heutzutage werden sie oftmals als lukratives Investment für Privatanleger beworben. Kritiker dagegen bezeichnen Derivate
als reine Wettgeschäfte. Doch stimmt das wirklich? Welche Risiken gibt es? Und wie können Sie als Anlegerin oder Anleger
investieren? Wir erklären es Ihnen!
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Derivate (von lat. „derivare“ – „ableiten“) sind Finanzprodukte, deren Wert sich von einem Basisprodukt
(„Underlying“)
ableitet – etwa Aktien, Anleihen oder Rohstoffen[1]. Somit können
Investoren auf die
zukünftige Wertentwicklung des
Basisprodukts spekulieren, ohne es direkt zu kaufen. Finanzderivate werden oft als
Termingeschäfte bezeichnet und sind
sehr komplexe Anlageformen mit hohen Risiken für Sie als Anlegerin oder Anleger.
Im Gegensatz zu einem Investment in den Basiswert können Sie mit einem Derivat auch auf fallende Kurse oder
Preise
setzen. Derivate auf einen steigenden Marktpreis werden als „long“ oder „call“ bezeichnet, solche auf einem
sinkenden
Preis als „short“ oder „put“.
Besonderheiten bei Derivaten
Beim Kauf von Derivaten kommt zwischen Verkäufer und Käufer ein wechselseitiger Vertrag zustande, der je nach Produkt
sehr unterschiedlich gestaltet sein kann. So müssen Derivate zum Beispiel nicht 1:1 am Underlying partizipieren. Es
können zudem andere Bezugsverhältnisse festgelegt werden. Folglich können die Papiere Schwankungen des
zugrundeliegenden
Basiswerts überproportional abbilden.
Die Laufzeiten der einzelnen Anlageprodukte variieren je nach Ausgestaltung[3]. Dabei kann die Struktur eines Derivats sehr
einfach (z.B. Knock-out-Zertifikate) oder sehr komplex (CFD) gehalten sein (siehe unten). Die
Gebührenstruktur ist für Sie häufig schwer nachvollziehbar. Gleiches gilt für die vertraglichen
Bedingungen.
Exkurs: Geschichte der Derivate
Derivate sind ein sehr altes Instrument: Bereits 8.000 v. Chr. nutzten die Sumerer Tonplatten als
frühzeitliche Form von
Termingeschäften[4]. Hierauf versprachen Verkäufer, bis zu einem
bestimmten Datum eine festgelegte Menge an Waren zu liefern.
Im 4. Jahrhundert v. Chr. erwarb Thales von Milet das Recht, Olivenölpressen während der Erntezeit zu nutzen. Der Grund:
Er hatte eine üppige Olivenernte prognostiziert, was ihm erheblichen Reichtum einbrachte. Das kann als eine frühe Form
eines Optionsgeschäftes betrachtet werden.
Um 1500 entstanden in Antwerpen und Amsterdam wichtige Handelszentren, die den Weg für moderne Finanzmärkte ebneten. So
wurde in Antwerpen eine Börse errichtet, wo Händler Warenrechte handelten, um Transportrisiken zu senken.
Im 17. Jahrhundert wurden in Japan erstmals Geschäfte mit Derivaten in Form von Optionen auf Reis ohne eine physische
Lieferverpflichtung abgeschlossen. Ebenfalls im 17. Jahrhundert entstand in Amsterdam die erste Spekulationsblase durch
Derivate in Form von Forwards und Optionen auf Tulpen, die als „Tulpenmanie“ bekannt wurde.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Derivate und es kommen laufend neue, innovative Produkte hinzu. Im Folgenden
stellen wir Ihnen verschiedene Kategorien von Terminkontrakten vor:
Basiswerte für Derivate
Zunächst lassen sich verschiedene Derivate anhand der zum Einsatz kommenden Underlyings kategorisieren[5]. Dabei sind
folgende üblich:
Auch kann man Finanzderivate insofern unterscheiden, ob sie unbedingt oder bedingt sind. Bei bedingten Derivaten gibt es
eine Verpflichtung zur Ausführung des Termingeschäfts. Dazu zählen Festgeschäfte (z.B. Futures oder Aktienanleihen), die
einen festen Fälligkeitszeitpunkt haben.
Termingeschäfte, die als Swaps gestaltet sind, sind bedingte Derivate. Hier werden mehrere, zeitlich aufeinanderfolgende
Festgeschäfte vereinbart. Bei unbedingten Derivaten ist die Ausführung des Termingeschäfts lediglich eine Option. Daher
werden sie auch Optionsgeschäfte (z.B. Optionsscheine) genannt.
Übersicht über gängige Finanzderivate
Zertifikate | Prinzipiell wird bei allen Zertifikatstypen stets die steigende oder fallende Entwicklung eines beliebigen Basiswerts abgebildet. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe verschiedener Zertifikatstypen, die in der konkreten Ausgestaltung teils stark variieren. Rechtlich sind Zertifikate Schuldverschreibungen[6]. Beispiele sind Indexzertifikate, Discountzertifikate oder Aktienanleihen. |
Futures | Börsengehandelte, standardisierte Terminkontrakte, bei denen sich ein Käufer und ein Verkäufer vorab auf den Handel eines beliebigen Basiswertes zu festgelegten Konditionen einigen[7]. Forwards sind derweil außerbörslich gehandelte Futures. |
Forex | Forex-Trading beschreibt den Devisenhandel[8]. Hier werden Derivate und Hebel genutzt, um marginale Kursschwankungen optimal ausnutzen zu können. |
Hebelprodukte | „Hebelprodukt“ ist ein Oberbegriff für Finanzprodukte, die Hebel nutzen. Dabei ermöglicht ein Hebel die überproportionale Abbildung des Basiswertes und damit den Gewinn oder Verlust der Investition zu vervielfachen[9]. Hebelprodukte sind etwa Optionsscheine oder Knockout-Zertifikate. |
CFDs | Auch Differenzkontrakte genannt[10]. Dabei handelt sich um ein Instrument des Daytrading, denn sie sind für den kurzfristigen Handel vorgesehen. Mit Differenzkontrakten können Sie auf fallende und steigende Kurse setzen. Wie bei anderen Derivaten können Aktien, Rohstoffe, Devisen und Wertpapiere auf Indizes gehandelt werden. |
Swaps | Bei Swapgeschäften tauschen zwei Marktpartner zukünftige Zahlungsströme aus[11]. Häufig kommt es zu Währungs- und Zinsswaps. |
Es gibt einige Gründe, warum Investoren auf Derivate setzen. Eine Übersicht:
Absicherung durch Derivate
Institutionelle Investoren sowie Finanzinstitute, aber auch Handels- und Industrieunternehmen nutzen Derivate zur
Absicherung von Geschäften mit Basiswerten, die sich in ihrem Bestand befinden[12]. Das nennt man „Hedging“ – daher stammt
auch der Begriff der „Hedgefonds“. Bei einem Derivat auf
Rohstoffe sichern sich Firmen etwa gegen Preisschwankungen ab.
Spekulation an Terminbörsen
Investoren sehen in Derivaten vor allem den Vorteil einer kurzfristigen Spekulation[13]. Denn unverhältnismäßigen Risiken
von Derivaten stehen oft überdurchschnittliche Gewinnchancen gegenüber. Derivate mit großen Hebeln sind für Spekulanten
besonders reizvoll. Hier können Anlegerinnen und Anleger durch den Einsatz von wenig Kapital hohe Gewinne erzielen –
allerdings mit hohem Risiko.
Derivate sind sehr riskante Finanzprodukte. Ein Überblick:
Neben der genannten Risiken (siehe oben) gibt es Kritik an den Finanzprodukten aus gesellschaftlicher Perspektive. Der
Hauptkritikpunkt ist, dass Derivate oft von Spekulanten genutzt werden, die nicht unbedingt ein Interesse am zugrunde
liegenden Vermögenswert haben.
Kritiker argumentieren, dass Spekulationen an Rohstoff-Terminbörsen die Preise verzerren bzw. zu
deutlichen
Preisanstiegen führen können. Sie machen Derivate mitverantwortlich für Nahrungsmittelkrisen und
Hungersnöte in
Entwicklungsländern. Inwiefern das tatsächlich zutrifft, lässt sich nur schwer sagen.
Derivate werden sowohl über die Börse als auch außerbörslich als OTC-Derivate („over the counter“)
gehandelt. Zu den
weltweit größten Derivatenbörsen für Trader gehören unter anderem Eurex[15] (Deutschland/Schweiz), CME[16] (Chicago Mercantile
Exchange, USA) und die zugehörige CBOT[17]
(Chicago Board of Trade, USA), KRX[18] (Korea
Exchange) sowie ICE Futures Europe[19]
(Großbritannien). Der Handel geschieht in diesem Fall über einen Online-Broker oder Ihre Bank – ähnlich wie bei Aktien,
Fonds, Anleihen oder anderen Wertpapieren.
Der Großteil des Derivatehandels findet jedoch außerbörslich statt, wo Sie als Privatpersonen,
institutionelle Anleger
und Unternehmen direkt miteinander handeln. Diese OTC-Märkte sind kaum reguliert, was das Risiko
nochmals erhöht (siehe
nächster Abschnitt).
Wie bei anderen Wertpapieren müssen Sie als Anlegerin oder Anleger bei Derivaten Bank- und
Ordergebühren an Ihren Broker
zahlen. Börsengebühren fallen ggf. an. Generell liegen die Kosten bei Derivaten etwas höher als bei
Aktien oder
Anleihen.
Es kann zusätzliche Kosten geben, etwa eine Maklercourtage oder eine Managementgebühr.
Banken und Broker, die Derivate
ausgeben, machen ihren Gewinn auch mit dem sogenannten Spread, d.h. dem Unterschied zwischen An- und Verkaufspreis.
Die Kosten für Sie als Anlegerin oder Anleger sind oft nicht vollständig transparent, besonders beim außerbörslichen
Handel. So können die Verträge eine Klausel enthalten, wonach Sie als Anlegerin oder Anleger zwar am Verlust in voller
Höhe teilhaben – am Gewinn indes nur bis zu einer bestimmten Höhe. Dabei handelt es sich letztlich um versteckte
Kosten.
Entsprechend sollten Sie die Anlagebedingungen gut durchlesen und nur investieren, wenn Sie alle Klauseln verstanden
haben.
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