Von Valeria Nickel – aktualisiert am 13.04.2022
Ein Kredit ohne Bank? Lange Zeit war dieses Szenario unvorstellbar. Doch seit geraumer Zeit macht es das „Crowdlending“ als alternative Finanzierungsform möglich.
Der Begriff besteht aus den englischen Wörtern „crowd“ (= Menschenmenge) und „lending“ (= Leihe). Zusammengesetzt bezeichnet er die Kreditvergabe von vielen Privatanlegern an eine andere Privatperson oder an Unternehmen bzw. Startups. Dabei werden die potentiellen Kreditgeber und Kreditsuchenden auf speziellen Internetplattformen zusammengebracht.
Der Hintergedanke und Vorteil des Crowdlendings ist, dass Personen und kleine oder mittlere Unternehmen (KMU) oder auch Startups Kredite erhalten, die sonst nur geringe Chancen darauf haben – zumindest, wenn sie bei Banken anfragen würden.
Für Mittelständler mit geringerer Bonität bieten diese digitalen Kreditmarktplätze eine wichtige Chance. Für die Geldgeber ergibt sich wiederum eine alternative Möglichkeit zur Geldanlage mit vergleichsweise hohem Zins. Doch halten die hier beschriebenen Peer-to-Peer-Kredite bzw. P2P-Kredite wirklich, was sie versprechen?
Die weltweit erste Crowdlending-Plattform war „Zopa“ aus Großbritannien. Sie entstand bereits 2005. Die größten Marktplätze für Darlehensvergabe kommen heute allerdings aus den USA: „Lending Club“ und „Prosper“.
In Deutschland existieren laut einer Studie des Bundesfinanzministeriums (BMF) von 2016 insgesamt 13 Crowdlending-Portale wie „auxmoney“, „Scalable Capital“, „Lendico“ oder „Funding Circle“. Zehn von ihnen vermitteln Privatkredite an Unternehmen, fünf an Privatpersonen und eine an Genossenschaften. Bei drei Anbietern kann man sowohl an Unternehmen als auch Einzelpersonen Geld verleihen.
Laut dieser ersten umfassenden Studie des BMF zum FinTech-Markt in Deutschland wurden 2015 Crowdlending-Kredite in Höhe von insgesamt 189 Millionen € an Privatleute und Unternehmen vermittelt.
Das klingt zwar nach viel Geld, doch betrachtet man das gesamte Volumen allein bei der Finanzierung mittelständischer Unternehmen in Deutschland 2015 – 81,6 Milliarden € (Quelle: Statista ) –, so scheint der Crowdlending-Anteil verschwindend gering.
Allerdings wächst der Markt in einem rasanten Tempo: Im Vorjahr 2014 lag das eingesammelte Kreditvolumen bei gerade mal knapp 50 Millionen €.
Genauso wie Banken prüfen auch die Crowdlending-Kreditmarktplätze die einzelnen Kreditanträge sehr genau. Allerdings gibt es dabei keine Filialen oder Kundenberater, sondern Datenbanken, Algorithmen und Risikomodelle.
Auf diesem Weg werden die Bonität des Antragstellers sowie die Summe, Laufzeit und Geschäftszahlen in einem automatisierten Verfahren geprüft. Es folgt die Zuordnung zu einer bestimmten Risikoklasse. Daraus errechnet sich der entsprechende Zins für den Kredit.
Schließlich erscheint das Angebot auf dem digitalen Marktplatz der Plattform, wo die potentiellen Darlehensnehmer ihre Projekte, ihren Finanzbedarf und ggf. ihr Geschäftsmodell vorstellen. Investoren, die sich für ein Projekt oder Unternehmen begeistern und die Gefahr eines Komplettverlusts in Kauf nehmen, können (oft schon mit sehr kleinen Beträgen) in den Kredit investieren. Sobald sich genug Kreditgeber gefunden haben, wird das Darlehen bewilligt und ausgezahlt.
Da Crowdlending-Plattformen über keine von der BaFin (Bundesfinanzaufsicht) ausgegebene Lizenz zur Kreditvergabe verfügen, werden die bewilligten Darlehen an ein Kreditinstitut vermittelt, das als Darlehensgeber fungiert und einen Vertrag mit dem Darlehensnehmer schließt.
Aufgrund der automatisierten Prozesse und der reinen Online-Auftritte der Crowdlending-Portale sind die Kosten bis zur Auszahlung der Kredite niedriger als bei Banken. Für Kreditnehmer ist der Crowdlending-Kredit allerdings nicht billiger, sondern sogar teurer als ein Bankkredit, denn die Plattformen verlangen Gebühren und die Zinssätze für die Anleger sind wegen der Risikoprofile der Kreditnehmer höher als bei Bankkrediten.
Allerdings ist das Crowdlending unbürokratischer und schneller. Und es kann starke Kräfte mobilisieren: Der Fußballverein Hertha BSC hat zum Beispiel eine Million Euro von der „Crowd“, vor allem den eigenen Fans, eingesammelt – innerhalb von neun Minuten und 23 Sekunden.
Crowdlending kann ein Gegenentwurf zu klassischen Krediten sein. Gerade für kleine bis mittlere Unternehmen eröffnen sich hier Möglichkeiten, schnell und einfach Darlehen zu bekommen und die komplizierte Kreditvergabe einer Bank zu umgehen. Aber handelt es sich beim Crowdlending auch aus Anlegersicht um eine lohnende Geldanlage?
Crowdlending-Plattformbetreiber versprechen Kreditgebern satte Renditen und locken mit Zinssätzen von beispielsweise 5,0 % (auxmoney, 08.01.2021). Doch wo kommen die attraktiven Summen in Zeiten der Niedrigzinsphase her und mit welchen Risiken sind sie verbunden?
Zunächst sollte ein Blick auf die Kosten geworfen werden, die von den Gewinnen abzuziehen sind. An die Crowdlending-Plattformen sowie die zwischengeschaltete Bank ist eine Gebühr zu entrichten. Bei auxmoney ist das beispielsweise ein Prozent der angelegten Summe.
Selbst nach Kosten- und Steuerabzug bleiben jedoch Zinssätze, mit der es herkömmliche Sparkonten derzeit nicht annähernd aufnehmen können. Doch auch hier gilt der Grundsatz: Je höher die Rendite, desto höher das Risiko.
Kommt es zum Ernstfall und ein Kreditnehmer versäumt die Rückzahlung des geliehenen Kapitals, wird wie bei einer Bank ein Mahnprozess eingeleitet und ein Inkassounternehmen beauftragt. In Fällen, in denen sich der Schuldner als nicht zahlungsfähig entpuppt, bedeutet das für den Kreditgeber den Totalverlust.
Doch wer nimmt Crowdlending-Kredite auf? Die Vermutung liegt nahe, dass die überhöhten Zinszahlungen beim Crowdlending oft von Personen in Kauf genommen werden, deren Zahlungsfähigkeit zu schlecht ist, um einen geringer verzinsten Kredit bei einer Bank zu bekommen. Das schlägt sich dann auch in den Ratings der Crowdlending-Plattformen nieder. Und je schlechter ein solches ist, desto höhere Zinssätze winken dem Geldgeber.
Es sind jedoch nicht in jedem Fall Privatpersonen, die online nach Darlehen suchen. Crowdlending-Plattformen bieten ebenso die Möglichkeit, in neugegründete Startups oder kleine bis mittlere Unternehmen zu investieren.
Doch auch hier lauern riskante Fallen: Gerade junge Unternehmen schaffen es oft nicht, sich gegen die harte Konkurrenz zu behaupten und ihr Geschäftsmodell erfolgreich umzusetzen. Lesen Sie dazu unseren Beitrag über Crowdinvesting in Startups und Immobilien.
Ein weiterer Weg, Geld anzulegen, ist das Crowdinvesting in Immobilien. Dabei ist das Prinzip ähnlich wie beim Crowdlending: Viele Anleger finanzieren gemeinsam einen Kredit (Schwarmfinanzierung) und erhalten dafür hohe Zinsen auf ihre Investition.
Im Gegensatz zum Crowdlending geht das Darlehen jedoch an professionelle Immobilieninvestoren und fungiert als Eigenkapitalersatz (Mezzanine-Kapital). Mit dem Kredit werden Bauprojekte realisiert, die bereits zu einem großen Teil über reguläre Bankkredite finanziert werden.
Auch bei dieser Finanzierungsform besteht das Risiko des Totalverlusts. Sie bietet jedoch einen Vorteil: Da es sich bei den Kreditempfängern um professionelle Investoren handelt, kann eine gewisse Expertise in der Finanzierung vorausgesetzt werden.
auxmoney* |
Funding Circle** |
BERGFÜRST |
|
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Darlehensnehmer |
Privatperson | Unternehmen (KMU) |
Professionelle Immobiliengesellschaften |
Laufzeiten |
1 – 7 Jahre | 0,5 – 5 Jahre | 1 – 5 Jahre |
Verzinsung |
Ø 5,0 % | 5,0 % – 7,0 % | 5,0 % – 7,0 % |
Mindestanlage |
25 € | 100 € | 10 € |
Kosten für Anleger |
1 % der Anlagesumme |
1 % der Zinsen | keine Kosten |
Kosten für Kreditnehmer |
ja | ja | ja |
Freistellungsauftrag |
nein | nein | ja |
Sparplan |
ja | nein | ja |
*laut auxmoney.com (08.01.2021)
**laut fundingcircle.com (08.01.2021)
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