Derivate: Fünf wichtige Fragen zu Termin­geschäften

Von Annette de los Santos – aktualisiert am 31.01.2024

Hinter dem Begriff Derivate verbergen sich eine Vielzahl von Finanzinstrumenten und es werden laufend neue entwickelt. Früher wurden Derivate von Finanzinstituten und institutionellen Anlegern vor allem zur Absicherung anderer Geldanlagen genutzt. Mittlerweile werden sie auch als lukratives Investment für Privatanleger beworben. Kritiker dagegen bezeichnen Derivate als reine Wettgeschäfte.

Folgender Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Formen und ihre Risiken.

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Was sind Derivate und wie funktionieren sie?

Derivat bedeutet wörtlich „abgeleitet“ (lat. „derivare“) und ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von innovativen Finanzprodukten. Sie werden auch als Termingeschäfte oder Terminkontrakte bezeichnet.

Allen gemein ist, dass sie prinzipiell eine indirekte Investition in z.B. Wertpapiere wie Aktien oder Anleihen, aber auch in Rohstoffe, Devisen, Indizes oder Zinssätze sind. Aktien zum Beispiel werden nicht direkt gekauft, sondern es werden Derivate bzw. Termingeschäfte auf den Basiswert (engl. Underlyings) „Aktien“ abgeschlossen und somit auf ihre zukünftige Wertentwicklung spekuliert. Derivate ermöglichen, auch ohne die dingliche Inhaberschaft am Underlying, an dessen Marktentwicklung zu partizipieren.

Im Gegensatz zu einem Investment in den Basiswert kann mit einem Derivat auch auf fallende Kurse oder Preise gesetzt werden. Derivate auf einen steigenden Kurs oder Wert werden als long, call oder bull bezeichnet, solche auf einen sinkenden Kurs oder Wert als short, put oder bear.

Beim Kauf von Derivaten kommt zwischen Verkäufer und Käufer ein wechselseitiger Vertrag zustande, der je nach Produkt sehr unterschiedlich gestaltet sein kann. So müssen Derivate beispielsweise nicht 1:1 am Underlying partizipieren, sondern es können auch andere Bezugsverhältnisse festgelegt werden. Folglich lassen sich Schwankungen des zugrundeliegenden Basiswerts überproportional abbilden.

Die Laufzeiten der einzelnen Anlageprodukte schwanken je nach Ausgestaltung. Dabei kann auch die Struktur eines Derivats sehr einfach (z.B. Knockout-Zertifikate) oder sehr komplex (Contracts for Difference oder auch CFDs) gehalten sein. Die Gebührenstruktur ist für den Käufer häufig schwer erkenn- und nachvollziehbar. Gleiches gilt für die vertraglichen Bedingungen. (Unerfahrene) Anleger können böse Überraschungen erleben, wenn sie die Bedingungen nicht verstehen.

Warum in Derivate investieren?

Doch nicht nur aufgrund ihrer Komplexität bergen Derivate hohe Risiken und sind ein Investment für risikofreudige Investoren.

Derivate können für Investoren den Totalverlust bedeuten. Besonders verheerend ist ein solcher bei Derivaten mit Hebeln, bei denen Anleger Kredite aufnehmen, um zu investieren. Denn hier ist im Verlustfall nicht nur das investierte Geld weg, der Kapitalanleger muss im Nachhinein auch zusätzliche Geldmittel aufbringen (Nachschusspflicht).

Hinweis: Investieren Sie lediglich in Derivate, wenn Sie sich sicher sind, die komplexen Produkte und die Bedingungen Ihrer Investition richtig verstanden zu haben. Kalkulieren Sie den Totalverlust ein und investieren Sie Kapital, auf das Sie auch verzichten können.

Dennoch sind Derivate gängige Finanzprodukte. Warum investieren Anleger trotz der hohen Risiken in Termingeschäfte?

Absicherung durch Derivate

Institutionelle Investoren sowie Finanzinstitute, aber auch Handels- und Industrieunternehmen nutzen Derivate zum Transfer von Risiken bzw. zur Absicherung von Geschäften mit Basiswerten, die sich in ihrem Bestand befinden.

Dieser Vorgang wird als Hedging bezeichnet und hat eine lange Tradition, denn der Handel mit Derivaten ist bereits mehrere tausend Jahre alt. Ursprünglich diente er hauptsächlich der Absicherung vor Preisschwankungen auf Warenterminkäufe in Form einfacher Futures.

Spekulation mit Derivaten

Bereits im 17. Jahrhundert wurden in Japan erstmals Geschäfte mit Derivaten in Form von Optionen auf Reis ohne physische Lieferverpflichtung abgeschlossen. Ebenfalls im 17. Jahrhundert entstand in Amsterdam die erste Spekulationsblase durch Derivate in Form von Forwards und Optionen auf Tulpen, die als „Tulpenmanie“ bekannt wurde.

Bis heute lockt die kurzfristige Spekulation, denn den unverhältnismäßigen Risiken von Derivaten stehen eben oft auch überdurchschnittliche Gewinnchancen gegenüber. Gerade Derivate mit großen Hebeln sind für Spekulanten besonders reizvoll, denn hier lassen sich durch den Einsatz von wenig Kapital hohe Gewinne realisieren.

Mittlerweile haben sich vielfältige Formen herausgebildet und der Derivatehandel ist an den Börsen der wohl am am schnellsten expandierende und sich wandelnde Bereich des internationalen Finanzwesens. Hinzu kommt, dass die emittierenden Finanzinstitute individuelle Bezeichnungen für das gleiche Produkt verwenden. Es gibt sogar auf Derivate spezialisierte Fonds, z.B. auf Goldanlagen in Verbindung mit Terminkontrakten auf Gold.

Welche Arten von Derivaten gibt es?

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Derivate und es kommen laufend neue, innovative Produkte hinzu. Im Folgenden werden verschiedene Kategorien von Terminkontrakten vorgestellt.

Basiswerte für Derivate

Zunächst lassen sich verschiedene Derivate anhand der zum Einsatz kommenden Underlyings kategorisieren. Dabei sind folgende üblich:

  • Wertpapiere (z.B. Aktien, Anleihen)
  • Rohstoffe (z.B. Gold, Öl)
  • Devisen (z.B. Euro, Dollar)
  • Handelswaren oder Produkte jeglicher Art
  • Kennziffern (z.B. Indizes, Bonitätsratings)
  • Zinsen bzw. Zinssätze oder Dividenden
  • Derivate zweiten Grades

Unbedingte und bedingte Termingeschäfte

Bei bedingten Derivaten gibt es eine Verpflichtung zur Ausführung des Termingeschäfts. Dazu zählen Festgeschäfte (z.B. Futures oder Aktienanleihen), die einen festen Fälligkeitszeitpunkt haben. Auch Termingeschäfte, die als Swaps gestaltet sind (z.B. Cap, Floor oder Collar), sind bedingte Derivate. Hier werden mehrere, zeitlich aufeinanderfolgende Festgeschäfte vereinbart.

Im Gegensatz zu Festgeschäften, ist die Ausführung des Termingeschäfts bei unbedingten Derivaten lediglich eine Option, weshalb sie auch Optionsgeschäfte (z.B. Optionsscheine) genannt werden. Gegen eine Optionsprämie kann das Recht erworben werden, zu einem festgelegten Preis eine fixe Menge des Basiswertes zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäische Option) oder während eines vordefinierten Zeitraums (amerikanische Option) zu erwerben.

Derivate mit Hebel

Finanzderivate sind oft mit einem Hebel zum Basiswert ausgestattet, der in Abhängigkeit zur Kursentwicklung des Basiswerts variiert.

Beispiel: Derivate mit Hebelwirkung
Nimmt man einen Hebel von vier bei einem Bezugsverhältnis von 1,0, bedeutet das bei einer Veränderung des Marktpreises für den Basiswert (z.B. Gold) um eine Geldeinheit (z.B. US$), dass sich das Derivat um das Vierfache verändert, sowohl positiv als auch negativ. Bei einem geringeren Geldeinsatz gegenüber dem Kauf des Basiswertes kann folglich bei positiver Entwicklung des Preises für den Basiswert ein deutlich höherer Kursgewinn realisiert werden.

Zu diesen Anlageprodukten mit Hebeleffekt (Leverage-Effekt) gehören „nackte“ Optionsscheine, die im Gegensatz zu den traditionellen Optionsscheinen kein Recht auf den Erwerb von Aktien in Verbindung mit einer Optionsanleihe verbriefen. Ein Beispiel dafür sind Knockout-Zertifikate, die bei Erreichen eines bestimmten Schwellenwerts wertlos verfallen. Mini Futures garantieren für diesen Fall einen festgelegten Restwert. Dieser wird allerdings durch höhere Anschaffungskosten im Voraus bezahlt. Die jeweilige Bezeichnung der gleichen respektive sehr ähnlichen Produkte variiert je nach Emittent.

Gängige Derivate

Zertifikate Hier handelt es sich um ein vergleichsweise junges Produkt. Dennoch gibt es inzwischen eine ganze Reihe verschiedener Zertifikatstypen, die in der konkreten Ausgestaltung teils stark variieren. Beispiele sind Indexzertifkate, Discountzertifikate oder Aktienanleihen.

Prinzipiell wird bei allen Zertifikatstypen stets die steigende, seitwärts tendierende oder fallende Entwicklung eines beliebigen Basiswerts abgebildet.

Futures (dt. Zukunft) Börsengehandelte, standardisierte Terminkontrakte, bei denen sich ein Käufer und ein Verkäufer vorab auf den Handel eines beliebigen Basiswertes zu festgelegten Konditionen einigen.
Forwards Dabei handelt es sich um außerbörslich gehandelte Futures.
Forex Forex Trading beschreibt den professionellen Devisenhandel, bei dem Derivate und Hebel genutzt werden, um auch marginale Kursschwankungen optimal ausnutzen zu können.
Hebel­produkte „Hebelprodukt“ ist ein Oberbegriff für Finanzprodukte, die Hebel nutzen. Dabei ermöglicht ein Hebel die überproportionale Abbildung des Basiswertes und damit den Gewinn oder Verlust der Investition zu vervielfachen. Hebelprodukte sind beispielsweise Optionsscheine, Knockout-Zertifikate, Mini Futures und Binäre Optionen.
CFDs Auch Differenzkontrakte genannt. Dabei handelt sich um ein Instrument des Daytrading, denn sie sind für den kurzfristigen Handel vorgesehen. Sie sind Futures nicht unähnlich, da auch hier eine Margin von einigen Prozent als Sicherheitsleistung zu hinterlegen ist und Nachschusspflichten bei Verlusten bestehen.

Mit Differenzkontrakten kann auf fallende und auf steigende Kurse gesetzt werden. Wie bei anderen Derivaten auch können Aktien, Rohstoffe, Devisen und Indizes gehandelt werden.

Swaps Bei Swapgeschäften tauschen zwei Marktpartner zukünftige Zahlungsströmungen aus. Häufig kommt es zu Währungs- und Zinsswaps. Um das Risiko von Zinsänderungen beim klassischen Zinsswap zu minimieren, werden Begrenzungen (Cap, Floor und Collar) festgelegt.
FRA Auch bei Forward Rate Agreements (FRA) und Forward Deposits handelt es sich um Zinstermingeschäfte, die jedoch außerbörslich stattfinden.

Wo werden Derivate gehandelt?

Derivate werden sowohl über die Börse als auch außerbörslich als OTC-Derivate („over the counter“) gehandelt.

Zu den weltweit größten Derivatenbörsen für Trader gehören unter anderem Eurex (Deutschland/Schweiz), CME (Chicago Mercantile Exchange, USA) und die zugehörige CBOT (Chicago Board of Trade, USA), KRX (Korea Exchange) sowie NYSE Liffe (Großbritannien).

Welche Kosten sollten Sie berücksichtigen?

Je nach Derivat fallen unterschiedliche Kosten an, die für den Anleger oft nicht vollständig transparent sind. Dies betrifft z.B. den wegfallenden Dividendenanspruch bei Aktienzertifikaten oder die Overnight-Verzinsung von Differenzkontrakten.

Auch das derivate Konstrukt als solches spielt eine Rolle, wenn z.B. eine Partizipation am Verlust in voller Höhe, am Gewinn aber nur bis zu einer bestimmten Höhe stattfindet. Bei Mini Futures kann der Restwert schon im Vorhinein über erhöhte Anschaffungskosten abgedeckt sein.

Banken und Broker, die Derivate ausgeben, sichern diese meist ab, sodass Gewinne und Verluste sich ausgleichen. Ihren eigentlichen Gewinn machen sie mit den Gebühren und dem sogenannten Spread, d.h. dem Unterschied zwischen An- und Verkaufspreis. Obwohl von den unendlichen Spielarten (dies ist durchaus wörtlich zu verstehen) derivativer Finanzinstrumente profitiert werden kann, ist davon auszugehen, dass auch hier der Grundsatz gilt: „Die Bank gewinnt immer“.

In Derivate investieren

Derivate gehören zweifelsfrei zu den stark spekulativen Finanzprodukten. Aufgrund des gegenüber dem Underlying viel geringeren Kapitaleinsatz erscheinen sie Anlegern besonders verlockend. Ein großer Vorteil von Derivaten gegenüber der unmittelbaren Investition in einen Basiswert ist zudem, dass man mit ihnen auf fallende Märkte setzen kann.

Der attraktiven Performance von Derivaten stehen aber erhebliche, oft auch schwer kalkulierbare Risiken gegenüber.

Wer viel Geld hat, darf spekulieren.

Wer wenig Geld hat, darf nicht spekulieren.

Wer kein Geld hat, muss spekulieren.

Börsenguru André Kostolany

Aus den genannten Gründen sollten sich Investoren an Kostolany halten und nicht spekulieren. In Zeiten niedriger Zinsen ist es zweifellos schwierig, überhaupt noch eine Rendite oberhalb der Inflation zu erzielen. Dennoch sollten Anleger die möglichen Risiken eines Finanzinstruments stets gewissenhaft abwägen.

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